Sozialdemokratische Partei regiert zukünftig mit Haushalt der Opposition
Gescheitert war die Wahl in der letzten Woche nach der Verabschiedung des Haushalts. Das von den Regierungsparteien eingebrachte Budget erhielt nicht die erforderliche Mehrheit im Plenum, sondern das Budget der Opposition, eingebracht von den konservativen Moderaten (M), den Christdemokraten (KD) sowie den rechtsnationalen Schwedendemokraten (SD). Die liberal-agrarische Zentrumspartei (C), bislang Unterstützer der Sozialdemokraten, hatte in diesem Fall nicht für das Budget der Regierung gestimmt.
Beobachter fragten sich nun zu Recht, worin eigentlich die Unterschiede zwischen den beiden Entwürfen liegen.
Bei einem Gesamthaushalt von insgesamt 1100 Milliarden Kronen gibt es lediglich Differenzen bei 20 Milliarden Kronen. Es geht hier also nicht um „den großen Wurf“, sondern um Anpassungen vor allem in Steuer- und Rentenfragen. Die Opposition will die Steuern für diejenigen senken, die Vollzeit arbeiten, die Regierung wiederum für diejenigen, die halbtags arbeiten oder Krankengeld beziehen. Der konservative Haushalt plant die Benzinsteuer zu senken, während die Regierung Familien mit einer zusätzlichen Woche bezahltem Familienurlaub belohnen wollte. Die Opposition strebt eine Anhebung der Gehälter für Polizisten an sowie eine Investition von 1,7 Milliarden Kronen in einen Ausbau der Polizei bis 2024. Die Anhebung der Mindestrente, ursprünglich eine Vereinbarung zwischen den Sozialdemokraten und der Linkspartei (V) ist mit dem konservativen Haushalt auch vom Tisch.
Der frühere grüne Koalitionspartner war wohl vor allem über den Punkt der Senkung der Benzinsteuer gestolpert, aber auch über die Tatsache, dass die bislang geschassten Schwedendemokraten nun Teil eines Haushaltsplans sind, mit dem Magdalena Andersson vorhat zu regieren. Die Schwedendemokraten haben mit diesem Ergebnis aus eigener Sicht einen Sieg errungen.
Aktuelle Umfrageergebnisse der Parteien
Die nachfolgende Grafik zeigt, wie sich die drei größten Parteien in Schweden in den letzten 20 Jahren entwickelt haben. Die Sozialdemokratie hat deutlich an Unterstützung eingebüßt und regiert seit der letzten Wahl 2018 zum Riksdag, dem nationalen Parlament Schwedens, mit ihrem historisch schlechtesten Ergebnis.
2002 | 2006 | 2010 | 2014 | 2018 | |
Sozialdemokraten | 39,8 | 35,0 | 30,7 | 31,0 | 28,3 |
Moderaten | 15,2 | 26,2 | 30,1 | 23,3 | 19,8 |
Schwedendemokraten | 1,4 | 2,9 | 5,7 | 12,9 | 17,5 |
Derzeit liegen die Sozialdemokraten in den Umfragen bei 28,9%, gefolgt von den Moderaten mit 21% sowie den Schwedendemokraten mit 20,3%. Zentrumspartei und Linkspartei liegen bei 8,1% respektive 9,3%.
Schwierige Regierungsbildung hält an
Die Tatsache, dass Magdalena Andersson nun ohne Koalitionspartner regieren wird, macht nochmals deutlich, wie schwierig Regieren bereits seit 2018 in Schweden ist. Die Regierungsbildung dauerte damals vier Monate und brach die beiden Allianzen Mitte-Rechts (M, KD, Liberale und Zentrumspartei) und Mitte-Links (S, MP und Linkspartei) nach den starken Zugewinnen der Schwedendemokraten in neue Bündnisse auf, die mehr schlecht als recht funktionieren.
Die Sozialdemokraten regierten fortan in einer Minderheitsregierung mit der grünen Umweltpartei und ließen sich fallbezogen von den Linken, den Liberalen und der Zentrumspartei unterstützen. Dies führte im Sommer 2021 zum ersten durchgeführten Misstrauensvotum in der schwedischen Geschichte, als es um die Frage einer von der liberalen Zentrumspartei geforderten Aufhebung der Mietpreisbindung bei Neubauten zum Bruch kam. Ausgelöst wurde das Misstrauensvotum von der Linkspartei und den Schwedendemokraten.
Ministerpräsident Stefan Löfven trat am 28. Juni zurück. Es folgte ein Versuch des Oppositionsführers Ulf Kristersson von den Moderaten, eine alternative Regierungskoalition zu bilden, der letztendlich nur eine Stimme fehlte. Eine erneute Wahl von Löfven zum Ministerpräsidenten setzte ihn am 7. Juli mit einer knappen Mehrheit wieder im Amt ein. Im August trat Stefan Löfven dann nochmals zurück, um den Weg für seine Nachfolgerin frei zu machen.
Folgt Andersson der dänischen Sozialdemokratie?
Magdalena Andersson, bislang in der Regierung Löfven Finanzministerin, wurde Anfang November in Göteborg zur neuen Parteivorsitzenden den schwedischen Sozialdemokraten gewählt. Tobias Baudin, ehemals Vorsitzender der Gewerkschaft für kommunale Beschäftigte, wurde Generalsekretär der Partei.
Beide gelten als zugehörig zum rechten Flügel der Partei. Weder Andersson noch Baudin haben darüber hinaus jemals Wähler der Schwedendemokraten in der Öffentlichkeit als „braun“, rechtsextrem oder rassistisch bezeichnet, wie es andere wie der Justizminister Morgan Johansson (S) oder Per Bolund (MP) getan haben. In vielen Belangen, die sich auf den Erhalt des Wohlfahrtstaates beziehen wie beispielsweise die Anhebung von Renten für von Altersarmut betroffene Menschen, liegen die Schwedendemokraten näher an den Sozialdemokraten als die Moderaten und zumal die Liberalen.
Andersson hat auch deutlich gemacht, dass sie für ein hartes Durchgreifen gegen die in Schweden grassierende Bandenkriminalität ist. Damit nimmt sie den Moderaten eins ihrer wichtigsten Themen für den Wahlkampf weg
Fazit
In der Bevölkerung hat Magdalena Andersson den Ruf einer kompetenten Finanzministerin. Die Tatsache, dass sie die erste Frau in der Geschichte Schwedens auf dem Posten des Ministerpräsidenten ist, hat ihr bislang viel Zustimmung gebracht. Gemäß Umfragen liegt sie mit einem Vertrauens-Rating von 45% vor Ulf Kristersson von den Moderaten (35%) und Jimmie Åkesson (28%) von den Schwedendemokraten.
Die nächsten nationalen Wahlen stehen in Schweden im September 2022 an. Es gilt als ausgemacht, dass sich die Moderaten und Christdemokraten von den Schwedendemokraten unterstützen lassen wollen, um regieren zu können. Die Mehrheitsverhältnisse sind denkbar knapp. Es wird sich aber auch zeigen, ob die schwedische Sozialdemokratie einen ähnlichen Weg gehen wird wie die dänische, welche die Rechtspopulisten mittlerweile eingeholt und auf diesem Weg marginalisiert hat. Derweil aber muss die neue sozialdemokratische Ministerpräsidentin eine Minderheitsregierung anführen, die über 100 Sitze von insgesamt 349 Sitzen im Parlament verfügt. Und das mit einem Haushalt der Opposition.
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