Während die Zahl der Polizeieinsätze steigt, mangelt es an Einsatzkräften, wodurch es zu einer hohen Belastung jedes einzelnen Beamten kommt. Zudem werden Polizisten durch die mediale Darstellung ihrer Arbeit, und besonders aktuell durch die Corona-Pandemie, in ihrem Berufsalltag des Öfteren mit Anfeindungen konfrontiert. Im Rahmen dieser Veranstaltung des Politischen Bildungsforums der Konrad-Adenauer-Stiftung haben sich Polizistin und Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen, Jana Henschel, und Referent Benjamin Grau über die alltäglichen Herausforderungen der Thüringer Polizisten im ländlichen Raum unterhalten.
Seit ihrer Kindheit hat sich Jana Henschel das Ziel gesetzt, die Welt verbessern zu wollen. Aus diesem Grund entschied sie sich direkt nach dem Schulabschluss das Bildungszentrum der Thüringer Polizei in Meiningen zu besuchen, um eine zweijährige Ausbildung im mittleren Dienst abzuschließen. In der Veranstaltung schilderte sie auch ihre ersten Erfahrungen im Streifendienst während ihres Praktikums, bei dem sie zum ersten Mal ihr erlerntes Wissen anwenden konnte. Heute hat sie bereits eine jahrelange Erfahrung genießen dürfen und kann von einigen Einsätzen auf Streife berichten. Polizistinnen und Polizisten in Thüringen arbeiten normalerweise in zwei Schichten - Tag und Nacht – die je zwölf Stunden andauern. Der Tag beginnt damit, sowohl Fahrzeug als auch sich selbst aufzurüsten und vorzubereiten. Nach einer Besprechung begeben sich die Beamtinnen und Beamten auf den Weg zu den verschiedenen Einsatzorten. Zu ihren Aufgaben gehören die Verkehrs- und Objektkontrollen und gelegentlich auch allgemeine Kontrollen im Stadtbild. Klassische Einsätze sind Unfälle, Einbrüche, darunter auch Ladendiebstähle, und Körperverletzungsdelikte, oft in Form von Häuslicher Gewalt. Zudem kommt es in der Nachtschicht und am Wochenende auch zu verstärkter Kriminalität in Verbindung mit Betäubungsmitteln.
Die Aufträge vermehren sich, und durch das mangelnde Personal verbleibt kaum noch Zeit für Präventivarbeit. Personalmangel stellt nicht nur im ländlichen Thüringer Raum die Polizei vor Herausforderungen, sondern ist auch im städtischen Bereich ein Problem. Somit ist es dringend notwendig den Beruf attraktiver zu machen. Viel Zeit in Anspruch nimmt das Verschriftlichen der Einsätze, denn dies ist nur an den Dienststellen möglich. Daraus folgen weniger Verkehrskontrollen und Bürgergespräche. Die Bürgerinnen und Bürger, die oft ihr Leid vermitteln wollen, haben kein Verständnis für die Beamtinnen und Beamten, die aufgrund der derzeitigen Situation in Eile sein müssen. Allerdings sei dies nicht der einzige Grund, weswegen Polizisten derzeit wenig Akzeptanz erfahren. Die Medien tragen dabei eine Mitschuld, welche die Polizei meistens in einem negativen Bild darstellen. Die Unzufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen zeige sich vor allem daran, dass die Hemmschwelle zur Gewaltbereitschaft gesunken ist. Gegenwärtig kommt es zu Fällen, wo sich die Polizei des Öfteren Beschimpfungen, Anspucken und manchmal sogar Angriffen aussetzen muss. Nach diversen Erlebnissen gibt Frau Henschel an mittlerweile abgestumpft zu sein. Nun sind sie und ihre Kollegen und Kolleginnen mehr in Alarmbereitschaft und wehren sich sofort in derartigen Situationen. Derzeit sei es auch aufgrund der mangelnden Zeit nicht möglich sich länger mit diesen Erfahrungen zu befassen. Meistens findet die Aufarbeitung gemeinsam mit anderen Kollegen statt, die man gelegentlich trifft. An manchen Dienststellen wie in Gotha wird versucht eine offizielle Aufarbeitung anzubieten, jedoch ist dies in Nordthüringen noch nicht der Fall.
In Thüringen führt auch das Fehlen notwendiger Ausstattung und Ausrüstung zu Problemen. So benötigen Polizisten und Polizistinnen mobile Endgeräte mit Navigationsgeräten oder vernünftige Streifenwagen. Bereits ein Laptop in jedem Fahrzeug würde einen großen Unterschied machen, da somit die Verschriftlichung bereits unterwegs erfolgen könne. Zudem wären Kartenzahlungsgeräte sehr hilfreich, da viele Bürger heutzutage kein Bargeld bei sich haben. Demnach wünscht sich Frau Henschel von der Politik eine bessere technische Ausstattung, um die eigene Arbeit optimieren zu können. Besonders am Herzen liege ihr aber die positive Unterstützung, sowohl von der Bevölkerung als auch von Politikern und den Medien. In Thüringen wäre ihr zusätzlich eine Anpassung des Gehaltes ein großes Anliegen. Abschließend erinnert sie daran, dass Polizisten mehr als nur eine Uniform sind. Dahinter stecke ein Mensch, der unversehrt nach Hause kommen möchte. Deswegen bittet sie die Bevölkerung um ein friedliches und höfliches Miteinander.
Trotz der Rückschläge ist Frau Henschel noch immer gerne Polizistin, denn es macht ihr Spaß Menschen zu helfen und die Welt etwas besser zu machen. Junge Menschen, die Polizisten oder Polizistinnen werden möchten, rät sie den Glauben an das Gute nicht zu verlieren und sich nicht entmutigen zu lassen. Letztendlich sei der Beruf des Polizisten auch von vielen schönen Momenten erfüllt.Polizeiarbeit im ländlichen Raum
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