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Country reports

Amerika hat gewählt

Barack Obama gewinnt zweite Amtszeit

Am 6. November 2012 haben Millionen Amerikaner ihren derzeitigen Präsidenten im Amt bestätigt: Barack Obama bleibt für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus. Er erhielt trotz schwieriger Wirtschaftslage und hoher Arbeitslosigkeit Unterstützung dafür, seinen bisher eingeschlagenen Kurs weiterzuführen und zu vollenden.

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Gleichzeitig wurden im Kongress das gesamte Repräsentantenhaus, 34 der 100 Senatoren, 11 Gouverneure sowie tausende Repräsentanten auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene gewählt. Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress ändern sich nicht: Der Senat bleibt wie bisher demokratisch, das Repräsentantenhaus republikanisch.

Das Land ging tief gespalten in die Wahl. Auch wenn die deutliche Mehrheit der Wahlmänner an Barack Obama gingen: unter allen landesweit abgegebenen Stimmen fiel das Ergebnis nach ersten Hochrechnungen sehr knapp aus.

Der wiedergewählte Präsident steht vor gewaltigen Aufgaben. Vor allem muss die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die ausufernden Staatsschulden müssen abgebaut werden. Notwendige Ausgabensenkungen und Erhöhung der Staatseinnahmen lassen sich dabei nur erreichen, wenn beide Parteien im Kongress zusammenarbeiten und die bisherige Blockade überwinden. Eine effektive Zusammenarbeit mit dem Kongress wird daher die wichtigste Herausforderung des Präsidenten darstellen.

Das Ergebnis

Nach den Hochrechnungen noch am Wahlabend hatte Barack Obama die notwendige Anzahl von mindestens 270 Wahlmännern aus den Bundestaaten mit 332 deutlich erreicht.

Romney kam lediglich auf 206 Wahlmänner und enttäuschte vor allem in den wahlentscheidenden „Swing States“: Florida, Virginia, Ohio, Colorado und Nevada gingen an Obama. Immerhin konnte Romney Indiana und North Carolina gewinnen, welche 2008 noch an Barack Obama gingen.

Senat und Repräsentantenhaus

Die Republikaner hatten für die Wahl im Senat statistisch eine bessere Ausgangssituation: von den 34 Sitzen, welche zur Wiederwahl standen, hatten sie lediglich 11 Sitze zu verteidigen, die Demokraten 23 Sitze. Dennoch haben es die Demokraten geschafft, ihre Mehrheit im Senat zu verteidigen. Allerdings reicht die Mehrheit weiterhin nicht, um republikanische Filibuster zu umgehen.

Im Repräsentantenhaus behalten erwartungsgemäß die Republikaner die Mehrheit.

Gespaltene Wählerschaft

Die nationalen Umfragen zeigten seit Anfang des Jahres – bereits bevor der republikanische Kandidat feststand – ein enges Rennen. Nimmt man den Durchschnitt der nationalen Umfragen (etwa bei realclearpolitics.com) zur Grundlage, so blieb der Präsident im Wahlkampf zu allen Zeiten unter der Marke von 50 Prozent Zustimmung. Die Umfragewerte bewegten sich in einem engen Korridor. Bis zur Wahl zeigten die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Auch wenn die Wahl letztlich in den “Swing States” entschieden wurde, zeigen die nationalen Umfragen den generellen Hintergrund, vor welchem die Wahl stattfand. Diese Situation eines engen Rennens war überraschend in doppelter Hinsicht: Einerseits gilt es als sehr schwer, einen amtierenden Präsidenten aus dem Amt zu wählen. Dies gelang in den vergangenen hundert Jahren nur viermal, jeweils unter sehr besonderen Umständen (nur eine Amtszeit hatten William Howard Taft, Herbert Hoover, Jimmy Carter, George H.W. Bush).

Es konnte erwarten werden, dass Obama mit seinem Amtsbonus von Anfang an in Umfragen weiter vorn liegen würde. Dies war jedoch nie der Fall. Obama war nur mit 53 Prozent im Jahr 2008 gewählt worden und hatte in seiner Amtszeit keine neue Zustimmung gewonnen. Viele, die ihn im Jahr 2008 gewählt hatten, waren nun enttäuscht. Obama war den hohen Erwartungen nicht gerecht geworden – vor allem was die Überwindung der Polarisierung der Politik wie auch die Verbesserung der Wirtschaftslage betrifft. Dennoch gab es keine Wechselstimmung unter seinen Wählern, sondern eher eine verbreitete Enttäuschung. Offenbar war nun eine Mehrheit bereit, Präsident Obama Zeit für die Fortführung seiner Politik zu geben.

Andererseits: Mit Blick auf die Wirtschaftsdaten, vor allem die hohe Arbeitslosigkeit von knapp 8 Prozent und die hohe Staatsverschuldung von ca. 16 Billionen US-Dollar war überraschend, dass Mitt Romney in den Umfragen während des Wahlkampfes nicht weiter vorn lag. Dass es lange Zeit sehr knapp war und letztlich Barack Obama gewinnen konnte, dafür waren eine Reihe von Faktoren verantwortlich.

Faktoren für die Wahlentscheidung

Innerhalb enger Grenzen in den Umfragewerten kam es deshalb auf Faktoren an, welche relativ gesehen nur geringeren Einfluss hatten, dennoch aber das Bild absolut verändern konnten: Als Romney im April 2012 als Kandidat der Republikaner feststand, verlor die Obama-Kampagne keine Zeit, vor allem mit negativer Fernsehwerbung Mitt Romney als abgehobenen und kalten Investmentbanker hinzustellen, der die Probleme der Menschen nicht verstehe. Romney seinerseits setzte dem nichts entgegen, sondern hielt lange an der Strategie fest, die Wahl zu einem Referendum über Obama zu machen. Anstatt sich selbst zu präsentieren, setzte Romney darauf, allein über die schlechte Wirtschaftslage und die ausufernden Staatsschulden zu sprechen. Dieser strategische Fehler hat Romney nachhaltig geschadet und zu einem negativen Bild geführt, welches er in der Wahrnehmung nie ganz ändern konnte. Zu spät änderte Mitt Romney seine Strategie. Erst seit dem republikanischen Nominierungsparteitag („Convention“) im August versuchte Romney seinerseits, sich als mitfühlenden Politiker vorzustellen. Inzwischen hatte sich jedoch das negative Bild bei den Wählern verfestigt. Die Neuvorstellung des Kandidaten Romney gelang ihm auf der republikanischen Convention noch nicht. In der Erinnerung der Wähler dürfte von der republikanischen Convention vor allem der etwas irritierende Auftritt Clint Eastwoods hängen geblieben sein.

Von den Conventions konnten jedoch die Demokraten profitieren. Besondere Aufmerksamkeit hat bei den Demokraten Bill Clinton gewonnen, der effektiv Romneys Steuerpläne in Frage stellte und gleichzeitig Präsident Obama auch nach den Conventions im Wahlkampf entscheidend unterstützte.

Nach den Conventions konnte Obama in den Umfragen etwas zulegen. Dennoch blieb er den Wählern nach wie vor eine klare Antwort darauf schuldig, welchen Plan er in einer zweiten Amtszeit umsetzen würde. Romney zu kritisieren, sei allein noch keine Agenda, so Romney formulierte in einer Debatte griffig.

Romney profitierte dann von der ersten TV-Debatte, die er eindeutig für sich entscheiden konnte. Es gelang ihm vor allem, das bisherige Bild von sich zu verändern. Von nun an konnten sich mehr Wähler einen Präsidenten Mitt Romney vorstellen. Der eigene starke Auftritt und der Kontrast zum schwachen Auftritt von Barack Obama half ihm in den Umfragen. Romney hatte nichts zu verlieren, griff enthusiastisch an und kritisierte den Präsidenten, während er sich selbst als den Mann der Mitte vorstellte. Lag Obama bislang vorn, geriet er nun in die Defensive. Die Romney-Kampagne gewann neue Energie (und Spender), welche sie bis in die Woche vor der Wahl trug.

Der Sturm “Sandy”, der kurz vor der Wahl die Ostküste der USA verwüstete und in den USA 111 Todesopfer forderte, hat dann den Wahlausgang mit beeinflusst. Für mehrere Tage wurde in den nationalen Medien fast ausschließlich über den Sturm berichtet. Der republikanische Strategieberater Karl Rove sah darin einen Vorteil für Obama. Ohne Sturm hätte Romney bis zuletzt die Möglichkeit gehabt, auf die schlechte Wirtschaftslage, die hohen Staatsschulden und das Defizit hinzuweisen. Nun lag die Aufmerksamkeit auf dem Sturm.

Der Sturm erlaubte Obama zudem, sich als Präsident zu präsentieren, der Führungsstärke zeigt und Probleme löst. Außerdem konnte er sich nach öffentlichem Lob vom republikanischen Gouverneur von New Jersey, Chris Christie (der nach der Auffassung von Beobachtern 2016 selbst als Kandidat antreten möchte), den Wählern als überparteilich präsentieren. Unerwartete Hilfe kam dazu auch vom Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg. Obama hatte bisher als gescheitert gegolten in seinem Bemühen, wichtige politische Vorhaben überparteilich zu lösen.

Die Berichterstattung über den Sturm hatte außerdem von einem anderem Thema abgelenkt, welches Obama zunehmend in Bedrängnis brachte: In Bengazhi waren am 11. September 2012 Botschaftsangehörige, darunter der US-Botschafter in Libyen getötet. Die Obama-Administration hatte dazu widersprüchliche Angaben gemacht und für viele erst zu spät anerkannt, dass es sich um einen terroristischen Anschlag handelte. Bei der Kommunikation zwischen den Ministerien und dem Weißen Haus scheint es in Bezug auf die Rettungsaktion zu gravierenden Fehlern gekommen zu sein.

Die Wirtschaftslage zeigte sich bis zuletzt weiterhin als angespannt. Der letzte Bericht zur Arbeitslosigkeit des U.S. Bureau of Labor Statistics von Freitag, 2. November 2012, dürfte dann kaum Einfluss auf den Wahlausgang gehabt haben. Die Arbeitslosigkeit war gegenüber Oktober leicht von 7.8 auf 7.9 Prozent angestiegen. Gleichzeitig blieb die Arbeitslosigkeit wiederum unter der magischen Marke von 8 Prozent, unter die sie im Oktober zum ersten Mal gefallen war. Beide Seiten mussten ihre Botschaft zur Deutung der Zahlen nach der Veröffentlichung der neuen Marke nicht ändern. Denn für die Obama-Kampagne ging die Wirtschaftsentwicklung damit in die richtige Richtung. Mitt Romney konnte wieder darauf hinweisen, dass die Arbeitslosigkeit weiterhin auf hohem Niveau stagniert.

Herausforderungen für den neuen Präsidenten

Der wiedergewählte Präsident steht vor enormen Herausforderungen. Im Vordergrund steht dabei die Ankurbelung der Wirtschaft, der Abbau der Arbeitslosigkeit und die Sanierung der Staatsfinanzen. Dies wird nicht ohne die Senkung der Staatsausgaben und der gleichzeitigen Erhöhung der Einnahmen (d.h. letztlich einer Überholung des Steuerrechts und der Erhöhung der Steuern) gehen.

Bei allen Herausforderungen ist der Präsident auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Kongress angewiesen, wo sich die Mehrheitsverhältnisse nicht ändern. Die entscheidende Frage ist, ob es gelingt, die bisherige Blockade aufzubrechen.

Ein unmittelbar zu lösendes Problem ist das sog. “fiscal cliff”. In den vergangenen drei Jahren ist es dem US-Kongress nicht gelungen, sich auf einen Bundeshaushalt zu einigen. Es wurde deswegen anhand von „continuing resolutions“ und partiellen Ausgabeermächtigungen regiert. Im August 2011 kam es zu einem Kompromiss beider Kammern, die im Gegenzug auf eine weitere Erhöhung der Schuldenobergrenze Ausgabenkürzungen in Höhe von $2,1 Trillionen (über zehn Jahre) beschlossen. Da keine Einigung darüber erzielt werden konnte, welche Ausgaben gekürzt werden sollen, kommt es am 1. Januar 2013 zu automatischen Kürzungen beim Verteidigungsetat und bei Sozialmaßnahmen. Für das Jahr 2013 bedeutet das beim Verteidigungshaushalt konkret Einschnitte von rund 9,4 Prozent. Medicare, das Krankenversicherungsprogramm für Rentner würde z.B. um 2 Prozent gekürzt und das Bildungsministerium um 8,2 Prozent.

Nach Berechnungen des Congressional Budget Office würde das „fiscal cliff“ eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums um 5,1% bedeuten.

In der Periode bis zum 20. Januar 2013 wird keine endgültige Lösung erwartet: Republikaner und Demokraten werden voraussichtlich wenig Interesse haben, sich besonders kompromissbereit zu zeigen und eine „große Lösung“ zu finden und stattdessen die Lösung des Problems um weitere Monate zu verschieben.

Der Präsident braucht den Kongress auch für weitere wichtige Vorhaben: So hat Obama u.a. angekündigt, dass er zu Sanierung des Haushalts eine Steuererhöhung für Einkommen über 250.000 US-Dollar durchsetzten möchte. Außerdem möchte er u.a. eine Reform der Immigrationsgesetze umsetzen.

Blockierter Kongress?

Die Resultate im Senat zeigen, dass die weitere Polarisierung nicht gestoppt wurde. Stattdessen entschlossen sich etwa die Wähler in Maine, Massachusetts und Nebraska dazu, in die Mitte orientierte, d.h. „konservative“ Demokraten bzw. „linksliberale“ Konservative jeweils durch ihre Gegner zu ersetzen (Sen. Brown in Mass, Sen. Snow in Maine und Sen. Nelson in Nebraska). Das bedeutet, dass es immer weniger gemäßigte Senatoren gibt, die dazu bereit sind, die Kompromisse einzugehen, um auf die notwendigen 60 Stimmen im Senat zu kommen.

Nach den Zwischenwahlen im Jahr 2010, welche vor allem neue von der Tea Party unterstützte Kandidaten ins Repräsentantenhaus brachten, hatten die Republikaner alle Initiativen Präsident Obamas blockiert. Ziel war es, eine zweite Amtszeit des Präsidenten zu verhindern. Dieses Ziel ist nun nicht mehr leitend. Der Blick dürfte sich zunehmend auf die kommende Wahl 2016 richten. Als Blockierer zu gelten, dürfte dann politische Kosten verursachen.

Viel wird davon abhängen, welche Rolle die von der Tea Party getragenen republikanischen Kongressabgeordneten in Zukunft spielen werden.

Republikanische Partei

Romney war eine Übergangslösung für die Republikaner. Schon jetzt ist abzusehen, dass viele in der republikanischen Partei die Wahlniederlage damit erklären werden, dass Mitt Romney nicht konservativ genug war. Romney hatte es schwer, sich für die Parteibasis als konservativ genug dazustellen, nachdem er damals als Gouverneur von Massachusetts relativ liberal regiert hatte. Er hatte zudem verschiedene Positionen zu sozialen Fragen wie Abtreibung und Krankenversicherung vertreten. Während den Primaries geriet er vor allem durch den als besonders konservativ geltenden Rick Santorum unter Druck und setzte sich am Ende deshalb durch, weil er gegenüber Barack Obama als aussichtsreicher galt.

Besonders konservative Positionen, die er in der Nominierungsphase vertrat, machten es ihm im eigentlichen Wahlkampf zudem schwer, die Stimmen der Unabhängigen zu gewinnen. In dem Maße, in dem er sich dann mit seinen Positionen in die Mitte bewegte, in dem Maße konnte er in den Umfragen zulegen.

Für seine Kritiker zeigt auch die frühere Erfahrung, dass Wahlen weniger konservativen Kandidaten nicht zum Erfolg führen (John McCain verlor 2008 die Wahlen), während mit konservativen Kandidaten Wahlen gewonnen werden können (2010 waren viele konservative Republikaner mit Unterstützung der Tea Party in den Kongress gewählt worden).

Es bleibt abzuwarten, wie weit sich die besonders Konservativen in der Partei durchsetzen werden. Die republikanische Partei hat aufgrund der demographischen Entwicklung nur eine Zukunft, wenn sie sich in Zukunft über ihre traditionellen, weißen Wählerschichten hinaus öffnet. Schon im Jahr 2011 wurden mehr nicht-weiße Babys in den USA geboren. Der Anteil von Minderheiten an der Wählerschaft, vor allem von Latinos, wird weiter wachsen. Außerdem hat es die Partei vor allem unter jungen Leuten und bei Frauen schwer, Zustimmung zu gewinnen. Sollte es der Partei nicht gelingen, Positionen etwa zur Immigrationspolitik und sozialen Fragen wie Abtreibung neu zu formulieren, wird sie es in Zukunft noch schwerer haben, Mehrheiten für sich zu gewinnen.

Abgeschlossen, 7. November 2012, 1:30 Uhr

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