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Einen besonderen Fokus seiner außenpolitischen Arbeit legt Polenz auf die arabischen Staaten sowie die Türkei und den Iran. Besondere Aktualität erlangte die Veranstaltung durch die aktuellen Entwicklungen in der Syrien-Krise. An der Veranstaltung nahmen Politiker, Nahost-Experten von Think Tanks, Diplomaten, Journalisten und Vertreter von NGO's teil, welche in der Region aktiv sind.
Ruprecht Polenz stellte die aktuellen Entwicklungen in den arabischen Staaten, die erst den Beginn einer längeren Entwicklung markierten, in einen weiteren Kontext. Dazu stellte er drei Thesen auf:
1. Wir seien Zeugen des Auseinanderbrechens der gegenwärtigen Ordnung des Nahen Ostens, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg entstand. Die damals von den europäischen Mächten z.T. willkürlich gezogenen Grenzen würden heute in Frage gestellt. Sollten die Staaten im Nahen Osten auseinanderbrechen, gebe es allerdings keine Ordnungsmacht wie die Europäer nach dem Ersten Weltkrieg, welche die neue Ordnung garantieren könnten. Auch würde die Durchsetzung einer neuen Ordnung heute wahrscheinlich nicht allgemein akzeptiert werden. Die gegenwärtigen Grenzen aus der Kolonialzeit seien zwar fragil - eine neue Ordnung allerdings nicht realistisch, weshalb die aktuellen Grenzen nicht infrage gestellt werden dürften, so Polenz.
2. Der Begriff "Islamismus" für die Beschreibung des politischen Islam solle überdacht werde. Der Begriff "Islamismus" werde für sehr diverse Gruppen von der AKP in der Türkei bis hin zu Al Qaida verwendet. Er sei deshalb für eine präzise Beschreibung nicht brauchbar, sondern eher irreführend. Innerhalb des politischen Islam gebe es eine interne Auseinandersetzung verschiedener Gruppen um die Vorherrschaft. Unsere Aufgabe sei es die Gruppen zu stärken, welche unseren Werten näher seien und für eine Modernisierung der Gesellschaft stünden.
3. Die Aufstände in Nordafrika stellten eine Niederlage für Al Qaida dar. Al Qaida stehe für die Überzeugung, dass Machtwechsel nur gewaltsam möglich seien. Die Aufständischen auf dem Tahrir-Platz hätten dagegen gezeigt, dass ein Machtwechsel gewaltlos möglich sei und stellten damit die Ideologie von Al Qaida in Frage. Das Militär hätte dann allerdings durch den Sturz der Mursi-Regierung Al Qaida wieder neue Argumente geliefert. Ohnehin hätten Wahlen kurz bevor gestanden, eine Abwahl Mursis wäre demokratisch möglich gewesen. Das Militär hätte von Anfang an jedoch nie ganz die Gewalt abgegeben. Im Vergleich dazu liefe die Transition in Tunesien etwa transparenter.
Das europäische Engagement in der Region sei von fünf Interessen geprägt, so Polenz: a) Interesse an wirtschaftlicher Kooperation mit der Region (etwa beim Ausbau von Solarfeldern in der Wüste Nordafrikas), b) Migrationsfragen, c) Bekämpfung des Terrorismus, d) die Sicherheit Israels, e) Modernisierung in den Gesellschaften des Nahen Ostens. - Ägypten wäre für Europa lange ein Partner gewesen, da Ägypten die meisten dieser Interessen teile. Angesichts der vielfältigen gemeinsamen Interessen habe Europa in Bezug auf Modernisierung lange Zeit zu wenig Druck auf Ägypten ausgeübt.
Polenz warf die Frage auf, inwiefern die internationale Gemeinschaft Einfluss auf die Geschehnisse in der Region ausüben könne. Er wies als Beispiel auf die Entwicklung in Afghanistan, welche den begrenzten Einfluss deutlich mache. Im Vergleich zu der Entwicklung in den osteuropäischen Staaten fehle bei den Umbrüchen in den Staaten des Nahen Ostens eine Zielvorstellung. Dennoch gab sich Polenz optimistisch, dass eine Modernisierung der arabischen Staaten möglich sei. Polenz kritisierte Auffassungen, wonach arabische Staaten nicht zur Demokratie fähig seien. Die EU könne bei der Unterstützung hin zu einer demokratischen Entwicklung eine wichtige Rolle spielen, so Polenz. Auch der Türkei komme eine wichtige Brückenfunktion zu. Polenz sprach sich wiederum für einen Beitritt der Türkei nach Erfüllung der Kopenhagener Kriterien aus, wies allerdings auf seine Minderheitenposition in dieser Frage innerhalb der CDU hin.
In der Diskussion wurde die Situation in den verschiedenen Ländern jeweils näher beleuchtet. Dabei wurde u.a. noch einmal die Möglichkeit der Arbeit von NGO's in diesen Ländern, insbesondere in Ägypten angesprochen. Im Zusammenhang mit Syrien warb Polenz für eine klare Prioritätensetzung bei den Interessen der USA und Europas. Deutlich sei, dass zwar auch Interesse an einer Beendigung des Bürgerkrieges bestehe, die zunächst aber oberste Priorität habe.
Bei Kontrolle und Vernichtung von Chemiewaffen kämen Interessen verschiedener Akteure zusammen. Dies gelte nicht nur für die USA und Israel, sondern auch für Russland, welches die Proliferation in den kaukasischen Raum und an tschetschenische Rebellen fürchtet. Selbst für den Iran gelte dies, welcher seit dem Einsatz von Giftgas im Iranisch-irakischen Krieg Interesse an der Einhaltung des Verbots chemischer Waffen habe. Schließlich könnte Assad einer Kontrolle seiner Chemiewaffen zustimmen, um weiter im Amt zu bleiben zu können. Die aktuellen Bemühungen könnten insofern aussichtsreich sein, auch wenn noch viele Fragen offen seien. Vor allem müsse Russland Druck auf Syrien ausüben, so Polenz. Russland habe bislang viel Prestige investiert und wäre deshalb auch an einem Erfolg interessiert. - Die Situation in Syrien sei mit vielen Konfliktherden der Region verbunden. Polenz warnte deshalb, dass ein Angriff auf Syrien weitere destabilisierenden Folgen in der Region haben könnte.
In der Diskussion wurde die globale Führungsrolle der USA angesprochen. Einige Teilnehmer mahnten zudem die Übernahme von mehr Führungsverantwortung der Partner, insbesondere Deutschlands an. Polenz wies in diesem Zusammenhang u.a. darauf hin, dass Deutschland nicht im UN-Sicherheitsrat vertreten sei und deshalb dem Engagement Deutschlands Grenzen gesetzt seien.
Zum Ende betonte Polenz noch einmal die Bedeutung des transatlantischen Dialogs für einen gemeinsamen Einsatz im Nahen Osten. Nur gemeinsam könnten die USA und Europa erfolgreich eine demokratische Entwicklung in den arabischen Ländern unterstützen.