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Dr. Cornfield wies in seinem Vortrag mit Hinweis auf das Wahlsystem auf die Bedeutung der sogenannten Battleground-Staaten hin. Da der Präsident nicht direkt gewählt werde, müssten jeweils die Wahlmänner der einzelnen Staaten und damit der Staat als Ganzes gewonnen werden. Insofern, so betont Dr. Cornfield, handelt es sich bei der Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten in Wirklichkeit nicht um eine, sondern um 51 Wahlen, welche parallel stattfinden. Dabei würden sich die Strategen der Kampagnen beim Einsatz ihrer Mittel fast ausschließlich auf die neun Battleground Staaten wie Virginia, Florida, Indiana, Ohio, Massachusetts, Arizona, Nevada, Visconsin und Minnesota konzentrieren.
Die Kampagnen in diesen sog. "Swing States" sind sehr aufwändig und gezielt auf jeweilige Wählergruppen zugeschnitten. In Staaten mit vielen lateinamerikanischen Einwanderern wie Florida, Nevada und Arizona werden so z.B. vor allem spanische Ferneseh- und Radiospots gesendet. Auch die Themen variieren je nach Zielgruppe: Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Grenzsicherheit oder Einwanderungsreform stehen dabei im Vordergrund.
Mit den neuen Medien stehen den Kampagnen viele neue Wege zur Verfügung, welche den Wahlkampf entscheidend verändert hätten. Das Internet biete die Möglichkeit, in Feldexperimenten einfach und schnell die Reaktionen der Wähler auf potentielle Wahlkampfthemen und ihre Kommunikation auszuwerten. Der gezielte Versand von Emails gewinnt gegenüber Nachrichten auf Facebook und Twitter an Bedeutung. Die Botschaften der Wahlkampagnen würden so zuerst genau getestet. Dies erleichtere es den Kandidaten, sich auf Themen zu konzentrieren, bei denen sie sich gegenüber dem Konkurrenten vorteilhaft darstellen können.
So sei zu erwarten, dass Romney nur über wirtschaftliche Themen zu sprechen versuchen wird. Obama hingegen wird dieses Thema so weit als möglich vermeiden und sich stattdessen auf alle anderen Themen konzentrieren wie auf den Status illegaler Einwanderer, auf die Studienfinanzierung oder die Rechte Homosexueller.
Im gegenwärtigen Wahlkampf werden neue Rekorde beim Spendenaufkommen gebrochen. Die Höhe der finanziellen Mittel, die den jeweiligen Wahlkampfteams zur Verfügung stehen, hält Dr. Cornfield in einem Präsidentschaftswahlkampf dagegen nicht für entscheidend. Mit Geld könne man allenfalls die Bekanntheit eines Kandidaten erhöhen. Der Kandidat wie auch seine Positionen seien am Ende der Vorwahlen jedoch so gut bekannt, dass zusätzliche Spenden keinen großen Unterscheid mehr machen würden. Ganz anders sei dies allerdings bei Kongresswahlen, wo das Budget in der Tat wahlentscheidend sei.
Dr. Cornfield prognostizierte einen besonders knappen Ausgang der Präsidentschaftswahlen. Er erwartet, dass sich Obama in seinem Wahlkampf auf die sogenannten Millenials (d.h. die Generation der 20-30jähigen), Wähler mit lateinamerikanischem Hintergrund und Afroamerikaner konzentrieren wird. Romney wird hingegen jeden versuchen anzusprechen, der Obama als Präsident für gescheitert hält. Bei den Hauptreden der Nominierungsparteitage müssten aber beide Kandidaten versuchen, sich als Hoffnungsträger darzustellen und Optimismus verbreiten, was aber für keinen der beiden einfach werden dürfte. Obama stehe quasi sinnbildlich für den erfolglosen und gescheiterten „Mr. Hope“. Romney hingegen mangele es an Charisma, um die Menschen wirklich für sich einzunehmen.
Die Diskussionsveranstaltung trug zu einem besseren Verständnis der aktuellen Entwicklungen im Wahlkampf bei und liess die Unterschiede zwischen dem deutschen und US-Wahlsystem deutlich werden.