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Reaktionen aus Großbritannien auf den Kompromiss zum Verfassungsvertrag

von Thomas Bernd Stehling
Die ersten Reaktionen auf den Verfassungskompromiss aus Großbritannien und Skandinavien

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  1. Finnland, Dänemark Schweden

    Regierung und Mehrheit der Oppositionsparteien stimmen mit geringfügigen Anmerkungen zu Detailfragen zu. Damit kann für Finnland von einer Annahme des Vertrags ausgegangen werden.

    In Dänemark muß ein Referendum durchgeführt werden, dessen Ausgang heute nicht vorausgesagt werden kann. Für die Debatte im Land wird die Regierung darauf verweisen wollen, daß ihre Opt-out-Klauseln bestehen bleiben und mit der Zustimmung nicht verbunden ist eine Verpflichtung Dänemarks zum Beitritt in die Euro-Zone oder zur Mitwirkung an europäischen Militäreinsätzen außerhalb der NATO.

    Für Schweden muß im Moment davon ausgegangen werden, daß die Regierung den Weg über ein Referendum der Entscheidung durch das Parlament vorzieht. Dabei werden sich die großen Parteien zwar für eine Annahme des Verfassungsentwurfes einsetzen, allerdings haben die Volksabstimmung zum Euro wie auch das Ergebnis der jüngsten Europawahl mit dem unerwartet großen Erfolg anti-europäischer und europa-kritischer Parteien und Protestbewegungen (June-Movement) die Erwartungen auf eine klare Zustimmung der Schweden weiter gedämpft. Wie auch in anderen Ländern wird vieles davon abhängen, ob in einer Kampagne im Vorfeld eines Referendums hinlänglich über Ziele und Inhalte des Verfassungsvertrages und die daraus abzuleitenden Vorteile und Mitwirkungsrechte der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten informiert werden kann.

  2. Großbritannien

    Während die Regierung den Brüsseler Kompromiß als Erfolg verkauft und fast dankbar auf die Kritik von Präsident Chirac verweist, die sie als eine Folge der Durchsetzung britischer Interessen bewertet, kann die konservative Opposition auch in den verteidigten „red lines“ zu Außen- und Verteidigungspolitik und Steuern sowie dem neuen Instrument von „emergency breaks“ nichts erkennen, was ihre generellen Einwände gegen jegliche Europäische Verfassung überwinden könnte. Die Tories setzen nunmehr ganz auf das nach Blair´s folgenschwerem U-turn zugesagte Referendum. Dessen Ausgang heute wird von niemandem in Frage gestellt – es wäre eine klare Absage an Europa, jedenfalls aber an eine engere Zusammenarbeit über Wirtschaftsfragen hinaus. Da ein solches Ergebnis zugleich eine innenpolitische Wirkung entfalten und Tony Blair und die Chancen seiner Wiederwahl massiv in Frage stellen würde, ist aus beiden Gründen der konservativen Opposition an einer schnellen Volksabstimmung gelegen. Sie fordert Blair auf, gleich nach der Sommerpause das Referendum durchzuführen und rechnet darauf, daß ein negatives Votum den Labour-Parteitag im Herbst nicht unbeeindruckt ließe. Ob allerdings ein Rücktritt Blairs – freiwillig oder erzwungen – und ein dann wahrscheinlicher Wechsel zu Gordon Brown die Hoffnungen der Tories auf einen Gewinn bei den nächsten Unterhauswahlen befördern würde, erscheint im Moment eher fraglich. Nach jetzigen Umfragen jedenfalls würde Labour mit Brown an der Spitze größere Chancen für einen Wahlerfolg haben, als unter Blair.

Falls die Debatte über Europa bei diesen Überlegungen noch eine Rolle spielt, ist ihr sicherlich eher mit dem Zeitplan gedient, den die Regierung im Auge hat. Danach sollen Unterhaus und Oberhaus den Verfassungsvertrag beraten und damit auch eine öffentliche Debatte initiieren, die es bislang jedenfalls in einer sachlichen Abwägung von Vor- und Nachteilen des Entwurfs nicht gibt. Nur wenn sie geführt wird, gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, daß sich die Briten dem Thema mit jenem Maß an Rationalität und Pragmatismus zuwenden, das sie ansonsten gerne für sich in Anspruch nehmen.

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