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Reaktionen aus Spanien auf den Brüsseler Gipfel

von Michael Däumer
Der spanische Oppositionsführer und designierte Vorsitzende der Volkspartei (PP),Mariano Rajoy, hat das Ergebnis des Brüsseler Gipfels als „sehr unbefriedigend fürSpanien“ gewertet, da das Abkommen „Nizza aufgibt, das Spanien ein ähnlich großesGewicht wie den vier Großen gab, und es verzichtet darauf ohne Gegenleistung. Noch dazu hat sich die Regierung auf nur einen Punkt konzentriert und nicht einmalden hat es erreicht. Das Abkommen ist ein Rückschritt für das Gewicht Spaniens inEuropa,“ betonte Rajoy.

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Gleichzeitig kündigte er an, dass sich seine Partei für die

Europäische Verfassung im Ratifizierungsprozeß aussprechen werde. Allerdings

wolle er damit der Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero keinen „Blankoscheck“

ausstellen. Denn, so Rajoy, er wäre „ein schlechter Demokrat“, wenn er dem

Ministerpräsidenten einen Blankoscheck erteilen würde, in einer „Angelegenheit, in

der wir ziemlich gegensätzliche Ansichten haben“. Deswegen werde der PP, Rajoy

zufolge, verstärkt die Regierung unter Druck setzen, damit sie sich besser für Spaniens

Interessen in Europa einsetze.

In einem Interview mit der spanischen Tageszeitung „El Mundo“ vom 20. Juni 2004

sprach sich Rajoy für ein Referendum zur Europäischen Verfassung aus. Dies solle

dazu beitragen, das Bewusstsein der Bürger für Europa zu schärfen und über die

positiven Auswirkungen der EU für Spanien aufzuklären.

Ebenso kritisierte der ehemalige Innenminister und designierte Generalsekretär des

Partido Popular, Ángel Acebes, das Ergebnis des Brüsseler Gipfeltreffens als „enttäuschend“

für Spanien. Die Zapatero-Regierung habe laut Acebes „plump und ungeschickt“

verhandelt und damit Spanien aus der „Gruppe der Großen“ unverständlicherweise

herausgeführt. Acebes fügte hinzu, dass man „mit Nizza das gleiche Gewicht“

hatte, wie die wichtigsten Staaten der EU und „jetzt hat Deutschland das doppelte

und Frankreich, Italien und Großbritannien 50 Prozent mehr.“ Mit großem Engagement

habe der PP, laut Acebes, gestalterisch im Konvent gewirkt und sei als

einzige europäische Partei mit zwei Vertretern, Ana de Palacio und Iñigo Méndez de

Vigo, aktiv am Prozeß der Verfassungsgebung beteiligt gewesen. Er lobte die Europäische

Verfassung als das Fundament für weiteren Frieden, Freiheit und Wohlstand,

betonte jedoch, dass die Rolle Spaniens in der EU durch die Nachgiebigkeit

der neuen Regierung an Bedeutung verloren habe. Als Beispiel nannte Acebes, dass

mit „Nizza wir uns gegen eine für Spanien schlechte Verteilung der europäischen

Fonds wehren konnten, jetzt können wir das nicht mehr.“

Der Vorsitzende der katalanischen Christdemokraten (UDC) und Generalsekretär

der CiU, Josep Antoni Duran Lleida, lobte insgesamt das neue europäische Vertragswerk

als „nicht schlecht für Spanien“. Ministerpräsident Zapatero habe je doch „nicht alles Mögliche gemacht hat“, um Katalan als offizielle Sprache anerkennen

zu lassen, fügte er hinzu.

Der sozialistische Ministerpräsident Zapatero hat angekündigt, nach der offiziellen

Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten der EU voraussichtlich im November

2004 in Rom die Europäische Verfassung als erstes Mitgliedsland zu ratifizieren.

Nachdem Rajoy für die Volkspartei seine Unterstützung zugesichert hat, dürften

seitens Spanien keine Probleme bei der Ratifizierung entstehen. Die Debatte in

Spanien wird sich in den kommenden Monaten um das Für und Wider eines von

der Volkspartei geforderten Referendums drehen. Dadurch erhofft sich der PP eine

intensive öffentliche Diskussion um die Europapolitik der Regierung. Die breite

Öffentlichkeit soll dazu bewegt werden, Druck auf die Regierung auszuüben, damit

aus Sicht des PP die spanischen Eigeninteressen insbesondere hinsichtlich

der neuen europäischen Finanzverfassung Berücksichtigung finden. Allerdings ist

der PP davon überzeugt, dass die Zapatero-Regierung nicht die Durchsetzungsfähigkeit

der Vorgängerregierung von José María Aznar besitzt, um spanische

Interessen angemessen in der EU zu vertreten. Das deutsch-französische „Direktorium“

werde nach Auffassung des PP die europäischen Subventionen nach

eigenem Gutdünken verteilen, ohne Rücksicht auf die spanischen Forderungen

zu nehmen.

Die Volkspartei, die sich als die spanische Europapartei verkaufen will, wird noch

viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um die Öffentlichkeit für ihr Europakonzept

zu gewinnen. Zu sehr sind die Erinnerungen an den Brüsseler Gipfel vom

vergangenen Dezember wach, als sich Spanien und Polen isolierten und das

Vertragswerk seinerzeit blockierten. Der damalige Oppositionsführer Zapatero

kritisierte das Verhalten Aznars als Bruch des europapolitischen Konsens in Spanien.

Die Öffentlichkeit teilte zunehmend diese Ansicht, was – trotz der guten

Umfrageergebnisse für den PP – zu einem erheblichen Imageschaden für Aznar

führte.

Mit dem Europathema versucht nun der PP, sein Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern.

Offen bleibt zunächst, ob der neue Kurs der sozialistischen Regierung

als „europafreundlich“ oder „spanienschädlich“ interpretiert wird. Der Kampf um

die Meinungsführung ist voll entbrannt. Dabei ist anzunehmen, dass die weitere

wirtschaftliche Entwicklung Spaniens über das Urteil der Öffentlichkeit entscheiden

wird. Noch kann sich die Zapatero-Regierung einer öffentlichen Unterstützung

sicher sein. Doch die Europawahl, die der Volkspartei überraschender Weise

nur eine „süße Niederlage“ einbrachte, verdeutlicht, dass der PP nach wie vor

über eine große Anhängerschaft verfügt. Das Wahlergebnis hat den PP motiviert

und Rajoy den Rücken für seine kommende Oppositionsarbeit gestärkt. Die Regierung

muss nun beweisen, dass sie die spanischen Interessen in einer erweiterten

Europäischen Union vertreten kann, ohne ihr europafreundliches Verhalten

einzubüßen.

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Dr. Wilhelm Hofmeister

Wilhelm.Hofmeister@kas.de
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