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Essay

Dresden und das Kriegsende in Europa

von Prof. Dr. Richard Overy

Vorgeschichte und Folgen der Bombenangriffe vom 13. und 14. Februar 1945

Der bekannteste Luftangriff des Zweiten Weltkriegs war die Bombardierung Dresdens in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 und der dadurch ausgelöste Feuersturm. Noch immer diskutieren Historiker darüber, warum die Bombardierung überhaupt stattfand, und welche Motive dahinterstanden. Die Bombardierung war ein Teil des britischen Luftkriegs, der die Moral der deutschen Arbeiterklasse brechen sollte. Gleichzeitig unterstützte er den Bodenkrieg und das Vorrücken der Roten Armee in Richtung Zentraleuropa. Die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs, die am Ende stand, war eine Folge des Bodenkriegs und weniger das Ergebnis der Bombardierung Dresdens oder anderer Städte. Nach dem derzeit geltenden Völkerrecht würde man diesen Angriff als Kriegsverbrechen bezeichnen.

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Aufnahme der Altstadt von Dresden nach den Luftangriffen im Februar 1945. Fotoarchiv für Zeitgeschichte/Ar/Süddeutsche Zeitung Photo
Aufnahme der Altstadt von Dresden nach den Luftangriffen im Februar 1945.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 flog das Royal Air Force Bomber Command einen schweren Luftangriff auf die Stadt Dresden im Osten Deutschlands. Die Bomber kamen in zwei Wellen und warfen eine gewaltige Last an Brandbomben ab. Als die Feuer in der Stadt ineinander übergriffen, löste dies einen Feuersturm aus. Der Angriff forderte 25 000 Todesopfer, diese Zahl nannte der Dresdner Polizeipräsident bereits 1945. Nach Jahren überhöhter Schätzungen wurde sie letztlich von einer eigens durch die Dresdner Behörden ins Leben gerufenen Kommission bestätigt. Es war der höchste Verlust an Menschenleben in einer einzigen Bombennacht während des gesamten Krieges in Europa. Diese Opferzahl wurde nur durch die Brandbombenangriffe auf Tokio, einen Monat nach Dresden, und die Atomangriffe auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 übertroffen.

Seither dauert die Diskussion über die Gründe für den Angriff auf Dresden an. Darüber, ob er ein Kriegsverbrechen darstellt, herrscht bis heute keine Einigkeit.

 

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Dieser Luftangriff muss in zwei verschiedenen Kontexten gesehen werden. Der erste ist die Bombardierung, die das Royal Air Force Bomber Command sechs Jahren lang gegen Deutschland und die von Deutschland besetzten Ziele führte. Im Rahmen dieser Bombenangriffe auf größere Ballungszentren in Deutschland scheint der Angriff auf die Stadt konsequent gewesen zu sein.  Der zweite Kontext ist die Lage im Bodenkrieg. Der Angriff auf Dresden kann also auch als Unterstützung der westlichen Alliierten für die in das östliche Deutschland und nach Zentraleuropa vorrückende sowjetische Armee gesehen werden. Der Luftangriff kann in beiden Zusammenhängen gelesen werden, aber beide müssen bei jeder Erklärung dafür berücksichtigt werden, warum der Angriff überhaupt stattfand, warum er so zerstörerisch war und was er, wenn überhaupt, zu den Kriegsanstrengungen der Alliierten beigetragen hat.

Noch während des Westfeldzugs begannen britische Flugzeuge im Mai 1940, städtische Ziele in Deutschland anzugreifen. Um die deutsche Kriegswirtschaft zu schwächen, flogen die Briten präzise Angriffe auf militärwirtschaftliche Anlagen. Vom Sommer 1941 an ging es außerdem darum, den Durchhaltewillen der deutschen Arbeiterklasse zu brechen, indem man unterschiedslos Stadtzentren und Wohngebiete bombardierte. Die Angriffe waren darauf ausgerichtet, die Kriegswirtschaft zu untergraben, indem Häuser zerstört, Menschen getötet oder verletzt und städtische Einrichtungen und Verkehrsnetze beschädigt wurden. Dafür setzte man nun statt der zu Beginn des Krieges verwendeten Sprengbomben Brandbomben ein, um Flächenbrände auszulösen, die von der Zivilverteidigung und den Feuerwehren nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden konnten.

Deutsche Städte wurden auf Karten in Zonen unterteilt. Die Zonen 1 und 2 umfassten dicht besiedelte zentrale Stadtgebiete, und die Bomberpiloten erhielten die Anweisung, in diesen Zonen die Brandbomben abzuwerfen – statt in den Industriegebieten, die sich nicht so effektiv in Brand setzen ließen. Als Luftmarschall Arthur Harris im Februar 1942 das Bomber Command übernahm, wurde diese Strategie der Städtezerstörung bereits angewendet. Zu seiner Flotte gehörte auch der neue schwere Bomber Avro Lancaster, der zum wichtigsten Bomber des Command avancierte und die meisten urbanen Zerstörungen in den drei letzten Kriegsjahren verursachte. Ein wissenschaftliches Beratergremium von Brandexperten entwickelte Pläne, wie deutsche Städte am besten niedergebrannt werden konnten. Zum Zeitpunkt des Angriffs auf Dresden waren die notwendige Anzahl von Brandherden pro Hektar Stadtgebiet sowie die anzuwendende Taktik zur Erreichung der maximalen Konzentration hinlänglich bekannt.

Das Bomber Command beschränkte seine Aktivitäten nicht auf deutsche Ziele, sondern bombardierte auch Verbündete Deutschlands und Gebiete, die von Deutschland besetzt waren, soweit es die Reichweite der Flugzeuge erlaubte. In diesen Fällen ging es nicht um die Demoralisierung der Bevölkerung, sondern um die Zerstörung von Anlagen, die für die deutsche Kriegsproduktion genutzt wurden, sowie darum, lokale Arbeitskräfte von ihrer Tätigkeit abzuhalten. Die Politiker, die für die britische Kriegsführung verantwortlich waren, hofften auch, dass die Bombardierung von Zielen in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden den dortigen Widerstand gegen die deutsche Besatzung stärken würde. Allerdings führte die hohe Zahl ziviler Opfer in allen drei Staaten eher zur Entfremdung zwischen den dortigen Bevölkerungen und den Alliierten.

Die Konferenz von Jalta der alliierten Regierungs- bzw. Staatschefs Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Vereinigtes Königreich) und Josef Stalin (UdSSR) fand vom 4. bis zum 11. Februar 1945 im Liwadija-Palast im Badeort Jalta auf der Krim statt. Es war das zweite von insgesamt drei alliierten Gipfeltreffen der „Großen Drei“ im bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier im Bild (v.l., vordere Reihe) Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt und Josef Stalin. Library of Congress , Franklin D. Roosevelt Library & Museum http://docs.fdrlibrary.marist.edu/images/photodb/09-1905a.gif
Die Konferenz von Jalta der alliierten Regierungs- bzw. Staatschefs Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Vereinigtes Königreich) und Josef Stalin (UdSSR) fand vom 4. bis zum 11. Februar 1945 im Liwadija-Palast im Badeort Jalta auf der Krim statt. Es war das zweite von insgesamt drei alliierten Gipfeltreffen der „Großen Drei“ im bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier im Bild (v.l., vordere Reihe) Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt und Josef Stalin.

Bombardements durch die United States Air Force

Bei den Angriffen wurde das Bomber Command von der von England aus operierenden United States Eighth Air Force und, nach der alliierten Landung in Süditalien im Herbst 1943, der von Italien aus operierenden 15. US-Luftflotte unterstützt. Die Vereinigten Staaten konzipierten ihre Bombardements mit einer anderen Strategie. Ziel war es, Schlüsselindustriezweige zu finden, deren Zerstörung durch Bombenangriffe die restliche Kriegswirtschaft entscheidend beeinflussen würde. Die amerikanischen Befehlshaber lehnten die Idee von Flächenbombardements oder des Morale Bombing mit dem Ziel, den deutschen Widerstandswillen zu brechen, ab und führten im Gegensatz zum Bomber Command Bombardements bei Tag durch, um die Aussichten für Präzisionsbombardements zu verbessern.

Nach einem ineffektiven Jahr der Bombardements änderten die Befehlshaber der Eighth Air Force von Herbst 1942 an ihre Strategie. Ihr Ziel war jetzt die deutsche Luftwaffe und ihre Anlagen, die Flugzeugindustrie sowie Öl- und Chemieanlagen, und von 1944 an schließlich auch das Verkehrsnetz. Trotz der Doktrin der Präzisionsbombardierung verursachte die amerikanische Luftwaffe auch eine hohe Zahl an zivilen Opfern. Der Abwurf aus großer Flughöhe von 5000 bis 6000 Metern war zwangsläufig ungenau. Außerdem zwangen die ständige Bewölkung und Industrieabgase die Eighth Air Force zum Blindabwurf mittels Radars, was ebenfalls großflächige Zerstörung am Boden zur Folge hatte.  In den letzten sechs Kriegsmonaten, als die Bombenlast ihren Höchststand erreichte, trug die Kriegsbeteiligung der Vereinigten Staaten wesentlich dazu bei, die deutsche Kriegswirtschaft zu schwächen.

 

Militärische Folgen

Die militärischen Befehlshaber in England und den Vereinigten Staaten sahen die Bombardements als eine Möglichkeit, die Anzahl ihrer Opfer und die zeitliche Dauer der Bodenoffensive zu begrenzen. Die alliierten Befehlshaber im Westen gingen also nicht davon aus, dass allein die Bombenangriffe zur Kapitulation des Deutschen Reichs führen würden. Tatsächlich konnte die Auswirkung von Bomben auf eine eventuelle Beschleunigung des Bodenkriegs nie genau berechnet werden. Die augenfälligste Wirkung war die Schwächung der Luftunterstützung für die Wehrmacht an drei europäischen Fronten: im Westen, Osten und Süden. Zwar erreichte die deutsche Flugzeugproduktion im Jahr 1944 einen Höchststand, aber die meisten Maschinen waren Jäger, die das Reich gegen Bombenangriffe verteidigen sollten. Infolge des amerikanischen Luftstrategiewechsels wurden aber nun diese Flugzeuge schon in den Fabriken oder während der Überführung zerstört. Der verstärkte Einsatz von alliierten Kampfflugzeugen mit großer Reichweite ab dem Anfang des Jahres 1944 bedeutete außerdem, dass die deutsche Luftwaffe über deutschem Boden bekämpft werden konnte. Dies hatte steigende deutsche Verluste im Frühjahr und Sommer 1944 zur Folge.

An der Anzahl der deutschen Flugzeuge, die im Juni 1944 zur Verfügung standen, um die Landung der Alliierten in der Normandie abzuwehren, lässt sich der Schaden ermessen, den die deutsche Luftmacht durch die Bombenangriffe erlitten hatte. Die Dritte Luftflotte verfügte nur über 125 gebrauchsfähige Fluggeräte, die Alliierten hingegen konnten für die Kampagne 12 000 Flugzeuge aller Typen einsetzen. Trotz unzureichender Luftsicherung kämpften die deutschen Bodentruppen aber weiterhin mit Geschick und Entschlossenheit, so dass die alliierte Kampagne in Frankreich und Italien und der sowjetische Vormarsch in Osteuropa langsamer vonstattengingen, als das Kräftegleichgewicht hätte vermuten lassen.

Die Luftangriffe auf Dresden fügten sich ebenfalls in dieses strategische Muster ein. Seit Herbst 1944 zogen die britischen Generalstabschefs Luftangriffe gegen ostdeutsche Städte zwecks Unterstützung des Vorrückens der Roten Armee in Betracht. Im November stand Dresden auf einer Liste von elf Städten, die als Ziele für Luftangriffe galten. Im Januar 1945, nachdem Air Chief Marshal Tedder als Stellvertreter von General Eisenhower mit Stalin in Moskau über das Vorgehen der Roten Armee – die Durchquerung Polens und das Vorrücken in den Osten Deutschlands – gesprochen hatte, kam der britische Geheimdienstausschuss zu dem Schluss, dass die Bombardierung ostdeutscher Städte eine wichtige Hilfe sein könnte. Am 26. Januar bestand Premierminister Winston Churchill darauf, dass die Royal Air Force den Angriff fliegen sollt. Am darauffolgenden Tag erging der Befehl an das Bomber Command, sich auf die Bombardierung der Städte Leipzig, Chemnitz und Dresden vorzubereiten. Bei der Konferenz von Jalta vom 4. bis zum 11. Februar 1945 auf der Krim wurde die sowjetische Armee über die Pläne informiert. Sie stimmte zu, bestand jedoch auf einer „Bombengrenze‟ jenseits derer die Royal Air Force nicht fliegen durfte, um keine sowjetischen Ziele zu treffen. Daraufhin gab Eisenhowers Hauptquartier (Supreme HQ of the Allied Expeditionary Forces - SHAEF) den Befehl zur Bombardierung, sobald die Wetterbedingungen es erlaubten. Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass die Angriffe als Teil des Landkriegs gesehen wurden.  

 

Die Bombardierung Dresdens

Anfang Februar 1945 flogen die Amerikaner und Briten Angriffe auf Berlin und Chemnitz, in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar auf Dresden. Den Feuersturm, der die Innenstadt von Dresden zerstörte, lösten die Einsätze der Royal Air Force aus. Harris hatte keinen Anlass, besondere Ziele in der Stadt auszuwählen, er war aber durchaus darüber informiert, dass sich in Dresden sehr viele Zivilisten aufhielten, die auf der Flucht vor den Sowjets waren.

Der Angriff war flächendeckend geplant. Späher markierten das Stadtzentrum mit einer Vielzahl von farbigen Lichtzeichen, woraufhin die Bomber Brandbomben auf die erleuchtete Stadt abwarfen. Die Folge konnte nur eine hohe Zahl von zivilen Opfern sein, und für das Bomber Command war dies sogar ein Teil der Zielsetzung. Die kleinere amerikanische Bomberflotte bemühte sich am nächsten Tag stärker, strategisch nützliche Ziele zu treffen. Sie beschädigte den Hauptbahnhof in erheblichem Ausmaß.

Die westlichen Alliierten hatten noch ein weiteres Motiv, Dresden und weitere sächsische Städte anzugreifen. Westliche Geheimdienste hatten darauf hingewiesen, dass die deutschen Truppen sich eventuell nach Süden in die Alpenregionen Bayerns und Österreichs zurückziehen und dort eine „Alpenfestung” aufbauen wollten. Eisenhower zog diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht, weshalb der amerikanische Einmarsch in das deutsche Reichsgebiet im März 1945 in Süddeutschland und Österreich begann. Die Bombardierung Dresdens sollte jegliche Bewegung Richtung Süden unterbinden und die Verkehrswege blockieren, obwohl der Angriff letztlich beim Eisenbahnverkehr nur wenig Schaden anrichtete. Eisenhowers Sorge, der deutsche Widerstand könne sich länger hinziehen, gründete darauf, dass die westlichen Alliierten die Möglichkeit einer frühen deutschen Kapitulation eher pessimistisch bewerteten. Es gab Befürchtungen, Deutschland verfüge über weitere höher entwickelte Waffen, die es nach den Vergeltungswaffen und den Düsenjägern einsetzen könne, und obwohl sich immer mehr deutsche Soldaten im Kampf mit den westlichen Alliierten ergaben, leisteten die meisten von ihnen trotz der erdrückenden Übermacht, denen sich die deutschen Streitkräfte gegenübersahen, weiterhin erbitterten Widerstand. Auch die deutsche Öffentlichkeit hoffte weiter, dass es noch möglich sei, der vollständigen Niederlage zu entgehen. In einem Bericht des militärischen Nachrichtendienstes aus Nürnberg vom März 1945 hieß es, die Menschen hätten „besonderes Vertrauen in den Führer, dass er die Situation so im Griff habe wie zuvor.“

Obwohl einige NS-Parteiführer in Norditalien und Österreich darüber nachgedacht hatten, gab es keine „Alpenfestung“, aber allein die Vorstellung davon war ein Grund für die Strategie, die Dresden als notwendiges Ziel einschloss. Sie diente auch im Nachhinein zur Rechtfertigung des Angriffs. Tatsächlich waren die deutschen Kriegsanstrengungen zum Zeitpunkt des Angriffs auf Dresden bereits nahezu kollabiert. Die sowjetischen Kräfte drangen rasch bis zur Oder vor und erreichten den Fluss am 31. Januar. Somit stand die Rote Armee 65 Kilometer vor Berlin. Britische, amerikanische und kanadische Kräfte befreiten das Westufer des Rheins und standen bereit, um den Fluss in voller Stärke zu überqueren. Genau das taten sie einen Monat nach dem Angriff auf Dresden. Einen weiteren Monat später waren Ruhr und Rheinland eingekreist und erobert. In Italien begannen die Entscheidungskämpfe im April 1945. Innerhalb von zwei Wochen wurden die deutschen Linien durchbrochen und die deutsche Wehrmacht gezwungen, sich schnell in den Nordosten Italiens und nach Österreich zurückzuziehen. Die Flächenbombardements über deutschen Städten dauerten noch zwei Monate an, bevor sie schließlich auf Churchills Drängen nach der Zerstörung von Potsdam am 16. April gestoppt wurde.

 

Sowjetische Befürchtungen

Die wichtigsten Alliierten waren sich einig in ihrem Bestreben, die bedingungslose Kapitulation durchzusetzen – ein Ziel, das Präsident Franklin D. Roosevelt bei der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 ausgegeben hatte. Es herrschte eine gewisse Unsicherheit darüber, was genau Roosevelt damit gemeint hatte, vor allem nach dem mit der italienischen Regierung vereinbarten Waffenstillstand vom September 1943, der nicht nur das Überleben des Regimes sicherte, sondern auch einen Rahmen schuf, innerhalb dessen Italien die Seite wechseln und ein nicht-kriegführender Verbündeter werden konnte. Sowohl in Deutschland als auch in Japan weckte dies die Hoffnung, dass etwas weniger Schwerwiegendes als eine bedingungslose Kapitulation ausgehandelt werden könne. Auch Stalin fürchtete, die westlichen Alliierten könnten mit Hitler einen Separatfrieden schließen, was die Möglichkeit einer Fortführung des Krieges gegen die Sowjetunion offenließe.

Die westlichen Alliierten waren sich des sowjetischen Misstrauens bewusst, und bemühten sich, Stalin davon zu überzeugen, dass die bedingungslose Kapitulation für sie außer Frage stand. Der Luftangriff auf Dresden als Unterstützung des Vormarschs der Roten Armee kann demnach auch als Geste des guten Willens gegenüber dem sowjetischen Verbündeten gesehen werden, mithilfe derer Stalin von der Entschlossenheit des Westens, die physische Eroberung des deutschen Reichsgebiets bis zum Ende zu führen, überzeugt werden sollte. In Wirklichkeit benötigte die Rote Armee kaum Unterstützung, und die Bombardierung Dresdens war aus ihrer Sicht weder zum damaligen Zeitpunkt noch später eine notwendige Operation. Tatsächlich wurde der Luftangriff auf Dresden während des Kalten Krieges von der Sowjetunion als typischer Akt des kapitalistischen Imperialismus interpretiert, der ein Gebiet zerstörte, das die Sowjetunion sich anschickte zu besetzen, und der als Akt der Einschüchterung die westliche Übermacht in der Luft demonstrieren sollte. Die britische und die amerikanische Luftwaffe flogen auch nach der Bombardierung Dresdens weiter Angriffe in der Nähe der sowjetisch-deutschen Front, was seitens der Sowjetunion Proteste zur Folge hatte, da die vorrückenden Einheiten der Roten Armee dadurch einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt waren.

Kapitulationserklärung der Deutschen Wehrmacht vom 8. Mai 1945 (Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst). Neptuul - Eigenes Werk CC BY-SA 4.0
Kapitulationserklärung der Deutschen Wehrmacht vom 8. Mai 1945 (Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst).

Kapitulation und Kriegsende        

Die bedingungslose Kapitulation war nur eines der politischen Ziele, auf das sich die drei wichtigsten Alliierten geeinigt hatten. Bei der Konferenz der Außenminister im November 1943 in Moskau unternahm man einen ersten Versuch der Definition der Politik, die die Alliierten nach der deutschen Niederlage führen wollten. Die drei Alliierten vereinbarten die gemeinsame Okkupation, Reparationszahlungen, Entmilitarisierung und die Eliminierung des Nationalsozialismus. Anlässlich der Konferenz von Jalta wurde über eine mögliche Aufteilung (dismemberment) Deutschlands diskutiert. Diesen Plan unterstützten sowohl Churchill als auch Roosevelt, aber man konnte sich nur auf Gebietsabtretungen östlicher deutscher Landesteile an Polen als Ausgleich für den ostpolnischen Gebietsverlust an die Sowjetunion einigen. Im September 1944 schlug Henry Morgenthau, der amerikanische Finanzminister, die Zerschlagung eines Großteils der deutschen Industrie, die internationale Kontrolle von Ruhr und Rheinland, eine zwanzigjährige Okkupation und keine Wirtschaftshilfe vor. Roosevelt liebäugelte mit diesem Vorschlag, aber sowohl das amerikanische Außenministerium als auch die britische Regierung widersetzten sich energisch diesem Plan, und der „harte Frieden“ kam nie zustande.

Sobald er vom Morgenthau-Plan erfahren hatte, nutzte Joseph Goebbels ihn dafür, die deutschen Soldaten davon zu überzeugen, bis zum Ende zu kämpfen und die Zerstörung Deutschlands zu verhindern. Er machte sich auch die Luftangriffe auf Dresden zunutze, indem er die Opferzahl mit 250 000 statt 25 000 angab, als Nachweis der Brutalität der Alliierten. Tatsächlich kämpften die Soldaten weiter – mit größerer Verzweiflung im Osten als gegen die westlichen Alliierten –, bis Deutschland fast gänzlich erobert und besetzt war.

Erst dann begann Großadmiral Karl Dönitz, den Hitler vor seinem Suizid zu seinem Nachfolger im Amt des Reichspräsidenten bestimmt hatte, die möglichen Bedingungen einer Kapitulation auszuloten. Die deutsche Wehrmacht kapitulierte in mehreren Etappen: am 2. Mai 1945 in Italien, am 4. Mai in Norddeutschland, Norwegen und Dänemark, die südlichen Teile der Wehrmacht in München am 5. Mai. Dönitz schickte den Chef des Wehrmachtsführungsstabes, Alfred Jodl, am 6. Mai zu Eisenhowers Hauptquartier nach Reims. Jodl bot die Kapitulation zunächst nur im Westen an, um weiter gegen die Rote Armee kämpfen zu können und damit Soldaten und Zivilisten im Osten die Flucht nach Westen zu ermöglichen. Eisenhower drohte mit weiteren schweren Bombardements, sollte Jodl nicht der bedingungslosen Kapitulation an allen Fronten zustimmen. Im Mai 1945 war allerdings nicht mehr viel übrig, was man noch hätte bombardieren können. Am frühen Morgen des 7. Mai unterzeichnete Jodl schließlich die Urkunde der bedingungslosen Kapitulation. Stalin erhob, was kaum überraschte, Einwände gegen die seiner Auffassung nach auf die westlichen Alliierten beschränkte Kapitulation. Daher fand am 8. Mai eine zweite Zeremonie in Berlin statt, und in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages wurde die Kapitulation noch einmal unterzeichnet.

 

Anhaltende Diskussionen über die britische Luftstrategie

Bis heute wird darüber diskutiert, ob die Bombardements den Weg für die Kapitulation geebnet haben. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass das Flächenbombardement von Städten wie Dresden wenig zum Verlust der Kriegsproduktion beigetragen hat. Immerhin führte es aber dazu, dass die militärischen Ressourcen auf die Luftverteidigung umgelenkt wurden. Die amerikanischen Bombardements beeinträchtigten Deutschlands Fähigkeiten zur Weiterführung des Krieges stärker. Es besteht kein Zweifel, dass die deutsche Wehrmacht 1945 durch mangelnde Versorgung an der Front aufgrund unablässiger amerikanischer Angriffe auf das Transportnetz und die Bombardierung der Schlüsselindustrien, insbesondere Öl- und Chemieindustrien, geschwächt wurde. All dies engte ihre Möglichkeiten ein, die Alliierten bei ihrem Vormarsch auf deutschem Staatsgebiet aufzuhalten und führte schneller zu ihrer vollständigen Niederlage. Trotz der umfangreichen Schäden durch die Bombenangriffe, der hohen Zahl ziviler Opfer und der Zerstörung von Wohnungen und Einrichtungen war es notwendig, deutsches Staatsgebiet zu erobern und zu besetzen, bevor Hitler sich letztlich zum Suizid entschloss. Allein dieser Akt befreite die deutsche Führung von der Strategie, bis zum bitteren Ende zu kämpfen, und gab den Weg zur Kapitulation frei. Hätte der Krieg in Europa drei Monate länger gedauert, wäre die erste Atombombe möglicherweise auf Deutschland statt auf Hiroshima gefallen und hätten die Schäden des Feuersturms in Dresden um ein Vielfaches übertroffen.

Es bleibt die Frage, ob die Bombardierung Dresdens und anderer deutscher Städte eine legitime Kriegshandlung war. Die Bombardements verletzten eindeutig die 1923 verfassten Haager Luftkriegsregeln, die die akzeptable Vorgehensweise im Luftkrieg definierten. Das absichtliche Bombardieren von Zivilisten oder die Zerstörung privaten Eigentums galten als Verletzung geltender Kriegsgepflogenheiten. Zwar wurden die Regeln formal nicht ratifiziert, dennoch wurden sie behandelt, als gehörten sie zum Völkerrecht. Die britische Regierung trug sie 1939 mehrfach an die Royal Air Force heran, um sicherzustellen, dass diese keine nicht-militärischen Ziele angriff, nachts oder bei bewölktem Himmel keine Angriffe flog, keine schuldhaften Verletzungen bei Zivilisten riskierte oder Letztere absichtlich bombardierte.

Die Flächenbombardements verletzten all diese Einschränkungen. Das Luftfahrtministerium und die Befehlshaber der Luftstreitkräfte begründeten sie damit, dass Industriestädte ein legitimes militärisch-wirtschaftliches Ziel darstellten, und die Regierung wies während des Krieges alle Behauptungen zurück, die Royal Air Force habe irgendetwas anderes als militärische Ziele getroffen. Der Luftangriff auf Dresden wurde im britischen Unterhaus diskutiert und Luftfahrtminister Archibald Sinclair stritt ab, dass britische Flugzeuge vorsätzlich Frauen und Kinder bombardierten.

Diese Erklärungen dienen bis heute der Verteidigung des britischen Bombenkriegs, aber sie stellen die britische Luftstrategie, die darauf abzielte, Zivilisten zu töten und das zivile Milieu zu zerstören, eindeutig falsch dar. Nach dem heute geltenden Völkerrecht würde die Bombardierung Dresdens als Kriegsverbrechen gewertet werden, wie heute die Bombardements in der Ukraine und im Gazastreifen. Damals hielten die Alliierten Bombenangriffe für moralisch gerechtfertigt, wenn sie den Krieg früher beendeten. Stalin sagte später, dass Armeen Kriege beendeten und nicht Bomben, und im Falle der deutschen Niederlage im Jahr 1945 hatte er wahrscheinlich Recht.

 


 

Richard Overy ist Honorary Research Professor an der Universität Exeter im Vereinigten Königreich. Er hat umfassend über europäische Diktaturen, die Geschichte der Luftwaffe sowie die Ursprünge und den Verlauf des Zweiten Weltkriegs geschrieben. In Deutsch erschienen u.a. folgende Titel: Die Wurzeln des Sieges. Warum die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewannen. Stuttgart/München 2000, Russlands Krieg. 1941–1945. Reinbek 2003, Der Bombenkrieg. Europa 1939–1945. Berlin 2014, Weltenbrand. Der große imperiale Krieg, 1931–1945. Berlin 2023, und zuletzt Warum Krieg? Berlin 2024. Er gewann zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Werk, unter anderem den Wolfson History Prize, den James Doolittle Award, den Cundill Award for Historical Literature und die Duke of Wellington Medal for Military History. Er ist Mitglied der Royal Historical Society, Mitglied der British Academy und Mitglied der Europäischen Akademie für Wissenschaft und Künste.   

 

 

  

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