Als Margaret Thatcher am 4. Mai 1979 auf den Stufen von Downing Street No. 10 vor die versammelte Presse trat, war das ein historischer Moment: Sie war die erste Frau, die in das Amt des britischen Premierministers gewählt worden war. Erwartet hatte das kaum jemand – Thatcher selbst hatte noch wenige Jahre zuvor betont, einen weiblichen Premierminister würde es zu ihren Lebzeiten wohl nicht geben. Zu groß seien die Vorbehalte gegen Frauen in der Politik, die überdies kaum Erfahrungen in höheren Ämtern hätten sammeln können.
In dem elitären, von Männern dominierten politischen Milieu im Großbritannien der 1970er Jahre, besonders in ihrer eigenen Conservative Party, war Margaret Thatcher eine Ausnahme – nicht nur wegen ihres Geschlechts, sondern auch wegen ihrer Herkunft aus der unteren Mittelschicht. Trotzdem wurde sie zu einer der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sie bekleidete das höchste Regierungsamt mehr als elf Jahre und damit länger als alle ihre Vorgänger im 20. Jahrhundert. Ihr wirtschaftsliberaler Reformkurs wurde namensgebend für eine politische Epoche und weltanschauliche Haltung: den Thatcherismus. Damit wurde Thatcher zu einer der umstrittensten politischen Persönlichkeiten in der jüngeren britischen Geschichte. Den einen gilt sie als effiziente Überzeugungspolitikerin, die einen langanhaltenden britischen Niedergang entschlossen umkehrte; den anderen als Vertreterin eines herzlosen „Neoliberalismus“, die mit aller Härte die Gewerkschaftsbewegung zerschlug, den Wohlfahrtsstaat aushöhlte und Gewinnstreben über den gesellschaftlichen Zusammenhalt stellte.
Auch von feministischer Seite wurde sie scharf kritisiert. Weder habe sie nach ihrem politischen Aufstieg Frauen gefördert – nur eine einzige Frau berief sie in ihr Kabinett – noch in irgendeiner Weise feministische Anliegen gefördert. Ganz im Gegenteil hätten ihre harten Spar- und Deregulierungsmaßnahmen Mütter und Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen besonders hart getroffen. Sie habe zwar die gläserne Decke zum höchsten Regierungsamt durchbrochen, so der Vorwurf, aber die Leiter hinter sich hochgezogen.
Dennoch gilt die streitbare Premierministerin als Mustertyp weiblicher Führung: Ob Angela Merkel, die britische Premierministerin Theresa May oder die Labour-Schatzkanzlerin Rachel Reeves – kaum eine Frau in höheren politischen Ämtern ist nicht mit Margaret Thatcher verglichen worden. Doch kann man Margaret Thatcher einem Typus von Politikerin zuordnen? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn Thatcher selbst blieb stets ambivalent in ihren politischen Überzeugungen und ihrer Selbstdarstellung.
Ausbildung und erste politische Schritte
Als Margaret Thatcher 1925 in der kleinen Stadt Grantham in Lincolnshire geboren wurde, deutete zunächst wenig auf ihren Aufstieg. Sie war die Tochter eines methodistischen Gemischtwarenhändlers, der es zu bescheidenem Wohlstand gebracht hatte. Im politischen London und auf außenpolitischer Bühne trug ihr das später den Spitznamen „Krämerstocher“ ein. Thatcher investierte viele Stunden professionellen Trainings, um den Akzent abzulegen, der ihre einfache Herkunft verriet. Aber ihr Vater, den sie stets als wichtiges Vorbild benannte, legte einen Grundstein für ihre politische Karriere: Er war Gemeinderatsmitglied und ermutigte sie zur politischen Diskussion und zu harter Arbeit.
Nach dem Besuch einer staatlichen Schule erarbeitete sich Thatcher ein Stipendium für ein Chemiestudium in Oxford, das ihren Blick auf die Politik langfristig prägte. Später würde sie betonen, sich nicht als erste Frau im Premierminister-Amt zu sehen, sondern als erste Person mit einer naturwissenschaftlichen Ausbildung. Zudem engagierte sie sich politisch: Sie war Präsidentin der studentischen Conservative Association in Oxford und trat in den Unterhauswahlen 1950 und 1951 als konservative Kandidatin im Wahlkreis Dartford an. In der Labour-Hochburg war sie zwar chancenlos, weil nach britischem Wahlrecht nur die Person mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis einen Unterhaussitz erhält. Aber sie machte sich einen Namen als die jüngste jemals angetretene Kandidatin und errang dazu noch einen beachtlichen Stimmanteil. Ihre Hochzeit mit dem wohlhabenden Geschäftsmann Denis Thatcher 1951 gab ihr die finanzielle Freiheit, auch als Mutter der Zwillinge Mark und Carol ihre Karriere weiterzuverfolgen. Nur vier Monate nach der Geburt im August 1953 legte Thatcher erfolgreich die Prüfung zur Rechtsanwältin ab.
Die bis heute vorgetragene Kritik, ihr Wohlstand habe ihr einen Startvorteil gegeben, von dem andere Frauen nicht profitierten, zeugt einerseits von der Persistenz klassischer Geschlechtervorstellungen. Denn ihren männlichen Amtsvorgängern wurde nicht vorgeworfen, erst die Entlastung von Haushalts- und Betreuungsaufgaben habe ihre politische Laufbahn ermöglicht. Andererseits ist die Kritik Reaktion auf Thatchers Politik: Sie argumentierte, vor allem eine effiziente Organisation ermögliche es Frauen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Substanzielle öffentliche Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen oder Fördermaßnahmen wie die Einführung einer Elternzeit fanden in ihrer Amtszeit nicht statt. Die von Thatcher propagierten individuellen Lösungen waren aber ohne finanziellen Spielraum schwer zu gestalten.
Wahl zur Parteivorsitzenden
Im Jahr 1959 wurde Thatcher erstmals in das Unterhaus gewählt, im Wahlkreis Finchley in Norden Londons, den sie bis 1992 vertrat. Unter der Parteiführung von Edward Heath stieg sie nach dem konservativen Wahlsieg 1970 zur Bildungsministerin auf. Im Krisenjahr 1974, nach einer konservativen Wahlniederlage, bewarb sie sich um die Parteiführung und errang zur allgemeinen Überraschung eine Mehrheit der konservativen Unterhausabgeordneten. Damit wurde sie 1975 zur ersten weiblichen Parteianführerin und designierten Premierministerin im Falle eines konservativen Wahlsiegs.
Ihre Aussichten wurden gemischt bewertet: Trotz großer öffentlicher Aufmerksamkeit für die ungewöhnliche Personalie rechneten sich Teile der Labour Party verbesserte Chancen aus, weil eine Frau noch unwählbar sei. Auch viele Konservative sorgten sich, ob Thatcher die notwendige Härte und emotionale Stärke besäße. Solche Bedenken räumte sie aber rasch aus: Sie trat als harte, unnachgiebige Überzeugungspolitikerin auf, die mit radikalen Konzepten die kränkelnde Wirtschaft auf Kurs bringen und den Sozialismus bekämpfen wollte. Thatcher zeigte sich entschlossen, dem weithin beschworenen britischen Niedergang Einhalt zu gebieten. Ihre weitreichende Reformagenda zielte auf ein Zurückdrängen des Staates aus dem Wirtschaftsleben, Beschneidung der Gewerkschaftsmacht, Inflationsbekämpfung und Förderung des Unternehmertums.
Das bedeutete eine Abkehr von dem etablierten Konsens der Nachkriegszeit, der mit keynesianischen Rezepten aus ihrer Sicht keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit gab. Dabei berief sie sich auf die Ideen wirtschaftsliberaler Denker wie Friedrich August von Hayek und Milton Friedman, was für Vertreter der pragmatisch auftretenden Conservative Party bis dahin unüblich gewesen war. Auch die Betonung, die sie auf eine starke, prinzipiengebundene Führung legte, hob sie vom üblichen Politikstil der Nachkriegszeit ab: Heroische, charismatische und populistische Führergestalten waren bis dahin die Ausnahme geblieben. Wegen ihres entschlossenen Auftretens verlieh ihr die sowjetische Zeitung Krasnaja Zvezda (übersetzt Roter Stern) 1976 den Spitznamen „eiserne Lady“, mit dem Thatcher bei öffentlichen Auftritten gerne kokettierte.
Nichteinhaltung von Geschlechterrollen
Ohnehin positionierte sie sich als Frau in der Politik ambivalent. Einerseits ließ sie sich bei der Hausarbeit oder dem Einkaufen ablichten und inszenierte sich als Hausfrau, deren pragmatischer Sinn näher an den Anliegen der einfachen Leute sei als die Konzepte abgehobener Politiker. Andererseits trat sie als moderne Karrierefrau auf, die Mütter zu erfüllenden Berufen ermutigte und für mehr Frauen in Führungspositionen warb. Ein betont feminines Auftreten – ihre Frisur ließ sie mehrmals pro Woche legen und hielt im Unterhaus verschiedene Kleider zum Wechseln vor – verband sie mit rhetorischer Härte und Stimmtraining, um ihre Stimme tiefer erscheinen zu lassen.
Durch die gezielte Überschreitung von Geschlechterrollen gelang es Thatcher, das Handicap als Frau in der Politik zu ihrem Vorteil zu wenden: Die Aufmerksamkeit der Presse war ihr gewiss, sie nutzte sie zur Platzierung ihrer politischen Botschaft. Auch in der politischen Auseinandersetzung konnte die Außenseiterposition ein Vorteil sein: Ihre Gegenspieler waren den Umgang mit führenden Frauen nicht gewohnt, Thatcher hingegen kannte die Mechanismen männlich geprägter Politik ganz genau und nutzte die Unsicherheit der Gegenseite gezielt aus. Dominik Geppert vergleicht das mit einem linkshändigen Boxer, der ständig gegen Rechtshänder kämpft, die umgekehrt aber nur äußerst selten auf Linkshänder treffen.
Dennoch hatte sie in einem männlich geprägten Politikbetrieb, in dem weniger als fünf Prozent der Parlamentsangehörigen weiblich waren, gegen Widerstände zu kämpfen. Im Unterhaus begleiteten männliche Politiker ihre Reden mit abfälligen Geräuschen. Ihre eigene Conservative Party war von Gentlemen-Clubs geprägt, die Thatcher verschlossen waren. Als sie im Wahlkampf 1979 in Swansea eine Rede hielt, durfte sie anschließend nicht in die Bar der dortigen Parteizentrale, wo sich die meisten Parteimitglieder versammelten – Frauen waren dort nicht zugelassen, nicht einmal die Parteianführerin. Solche Erfahrungen prägten sie langfristig: Noch Jahre später, 1987, erklärte sie vor dem Unternehmerverband Institute of Directors, die Politik biete im Vergleich zur Wirtschaft ungünstigere Bedingungen für Frauen in Führungspositionen.
Eiserne Premierministerin
Die Unterhauswahl 1979 fand unter dem Eindruck einer tiefen wirtschaftlichen Krise statt, in der ausgedehnte Streiks weite Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt hatten. Der Wechselwille zahlte auf das Konto der Conservative Party ein, die einen Erdrutschsieg errang. Thatchers Regierung implementierte einen strikten Sparkurs und eine monetaristische Geldmengenpolitik zur Bekämpfung der ausufernden Inflation. Die Konsequenzen der Rosskur waren unerwartet schmerzhaft: Bis 1986 stieg die Zahl der Arbeitslosen auf einen Rekordwert von drei Millionen, ganze Industriezweige brachen zusammen. Erst 1981 begann eine wirtschaftliche Erholung, die ein achtjähriges Wachstum startete. Auch in der Außenpolitik setzte sie auf Stärke: Im Kalten Krieg agierte sie als überzeugte Anti-Kommunistin und handelte in der Europäischen Gemeinschaft einen Rabatt für den britischen Haushaltsbeitritt aus. 1982 verteidigte sie die Falkland-Inseln erfolgreich gegen eine argentinische Invasion, was ihr erhebliche Popularität eintrug und zu ihrem Wahlsieg von 1983 beitrug.
In zwei weiteren Amtszeiten (1983 bis 1987 und 1987 bis 1990) trieb Thatcher ihre Reformen voran: Sie bekämpfte die Macht der Gewerkschaften, die sie als maßgeblichen Auslöser der wirtschaftlichen Probleme betrachtete. Dass sie die Machtprobe im einjährigen Bergarbeiterstreik 1984/85 für sich entschied, gilt als Wendepunkt der britischen Politik: Der Ausgang läutete den Niedergang des Kohlebergbaus sowie der starken Bergbaugewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) ein und selbst die mit den Arbeitnehmervertretungen eng verbundene Labour Party akzeptierte langfristig Thatchers restriktive Gewerkschaftsgesetzgebung. Zudem trieb die konservative Regierung Privatisierungen voran. Ein Deregulierungsschub im Wertpapierhandel im sogenannten „Big Bang“ 1986 erhöhte die Anziehungskraft des Londoner Finanzplatzes, förderte aber auch risikoreiche Geschäfte, die insbesondere seit der Finanzkrise 2007/8 hochumstritten sind. Mit Reformen etwa im Bildungssystem strebte Thatcher die Durchsetzung von individueller Wahlfreiheit an. Zugleich pochte sie auf traditionelle „viktorianische“ Werte, die sie einem vermeintlichen moralischen Sittenverfall entgegenstellte.
Unpopuläre Reformen wie die Kopfsteuer, wirtschaftliche Probleme und ein Wiederanstieg der Inflation überschatteten Thatchers letzte Amtszeit. Auch die außenpolitischen Herausforderungen spitzten sich zu: Das Ende des Kalten Krieges konnte Thatcher als Bestätigung ihrer Politik betrachten, die sich gegen den Sozialismus richtete. Jedoch schadete ihr hartnäckiger Widerstand gegen die deutsche Wiedervereinigung ihrem Ansehen. Hinzu kamen Konflikte mit der Europäischen Gemeinschaft. Anfangs hatte die Conservative Party für einen pro-europäischen Kurs gestanden und Thatcher begrüßte Mitte der 1980er Jahre, trotz Vorbehalten gegen politische Integrationsbestrebungen, den Ausbau eines gemeinsamen Marktes als gewinnbringende Förderung freier Märkte. Die voranschreitende Schaffung einer Europäischen Union mit weiterreichenden Maßnahmen wie der Einführung einer gemeinsamen Währung schloss sie aber kategorisch aus.
Nachwirkungen des Thatcherismus
Im November 1990 gelang es Thatcher nicht, unter den konservativen Unterhausmitgliedern eine ausreichende Mehrheit für die Fortsetzung ihrer Parteiführung zu erringen. Nach 15 Jahren als Parteiführerin und elf Jahren als Premierministerin erklärte sie am 23. November 1990 ihren Rücktritt. Das bedeutete aber nicht das Ende ihrer Reformen: Ihr konservativer Amtsnachfolger John Major setzte weite Teile ihrer Politik fort. Und selbst in der oppositionellen Labour Party hatte nach drei aufeinanderfolgenden Wahlniederlagen eine tiefgreifende Neuaufstellung begonnen, die Tony Blair im New Labour-Projekt fortsetzte und damit seine Partei 1997 zum Wahlsieg führte.
Die Partei gab das Ziel weitreichender Verstaatlichungen auf, führte die Emanzipation von den Gewerkschaften fort und bekannte sich zu freien Märkten als wirtschaftlichem Ordnungsprinzip – eine Abkehr von traditionellen Zielsetzungen, die 1980 noch undenkbar erschienen war. Die wichtigsten Grundannahmen des Wirtschaftsliberalismus wurden zu einem neuen Konsens in der politischen Landschaft Großbritanniens. Margaret Thatcher bemerkte dazu, nur wenige hätten die tiefgreifenden Reformen ihrer Amtszeit für möglich gehalten. Niemand aber habe erwartet, wie sie den politischen Gegner verändern würde. Nach dem Ausscheiden aus dem Unterhaus im Jahr 1992 verlieh ihr Königin Elisabeth II. die Würde eines Life Peer und damit einen Sitz im Oberhaus. Als Baroness Thatcher of Kesteven in the County of Lincolnshire blieb Margaret Thatcher im britischen Oberhaus aktiv, bevor sie sich in den 2000er Jahren aus der Politik zurückzog.
Eine klare Zuordnung von Thatchers Politik ist kaum möglich, da konservative und liberale Elemente sich nicht widerspruchsfrei ineinanderfügen. Die Umgestaltung der Wirtschaft auf Basis des freien Wettbewerbs, die Minimierung von Staatseingriffen und die Stärkung der individuellen Leistungsbereitschaft folgten wirtschaftsliberalen Prinzipien. Dagegen folgten die Rückbesinnung auf traditionelle Werte, die Betonung von Recht und Ordnung, die Erhaltung überkommener Institutionen wie dem aristokratischen Oberhaus oder die Verweigerung von Autonomierechten für die Landesteile Schottland und Wales konservativen Grundsätzen. Sie standen aber im Widerspruch zu meritokratischen Grundsätzen und zur Dezentralisierung.
Konservatives Role Model?
Auch Thatchers Positionierung als Politikerin war ambivalent: Ab 1983 thematisierte sie ihr Geschlecht deutlich seltener und setzte sich zunehmend für konservativere Rollenbilder ein. Statt erfüllender Karriere priorisierte sie nun Mutterschaft und Haushaltsführung als vorrangige weibliche Pflichten. Ihren eigenen raschen beruflichen Wiedereinstieg als Anwältin wischte sie mit der Erzählung beiseite, erst sechs Jahre nach Geburt ihrer Zwillinge in das Unterhaus eingezogen zu sein. Feministische Forderungen lehnte sie als „zu schrill“ ab, obwohl sie sich vor ihrem Amtsantritt bei einigen Auftritten in die Tradition der feministischen Bewegung gestellt hatte.
Staatliche Fördermaßnahmen wie gesetzliche Frauenquoten widersprachen Thatchers Deregulierungsbemühungen. Sie befürwortete stattdessen eine gute Ausbildung und den vermehrten Berufseinstieg von Frauen. Sie zeigte intern zwar Interesse an vielversprechenden Nachwuchspolitikerinnen, allerdings blieben die Fortschritte in ihrer Amtszeit begrenzt. In ihr Kabinett berief sie nur eine einzige Frau und die Zahl weiblicher Unterhausabgeordneter stieg von 19 (drei Prozent) auf nur 43 (sechs Prozent). Besonderes Interesse zeigte sie an der wissenschaftlichen Ausbildung von Frauen: So intervenierte sie 1986 persönlich bei dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Delors, als die von der EG geforderte Durchsetzung des britischen Gleichstellungsgesetzes von 1975 die reinen Frauencolleges in Cambridge und Oxford gefährdete. Populärer Antifeminismus und gezielte Frauenförderung in Einzelbereichen stellten für Thatcher also keinen Widerspruch dar.
Margaret Thatchers Politik prägte das Land weit über ihre Amtszeit hinaus und ist bis heute umstritten. Als sie 2013 verstarb, wurde sie international als eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gewürdigt und mit einer Trauerfeier in Anwesenheit der Königin geehrt. Andererseits fanden Jubelkundgebungen statt. In jüngerer Zeit drückten führende konservative Politikerinnen und Politiker ihre Bewunderung für Margaret Thatchers Politik aus: der ehemalige Premierminister Rishi Sunak, die ehemalige Premierminister Liz Truss oder die aktuelle Anführerin der Conservative Party Kemi Badenoch. Das zeigt die Anziehungskraft von Thatchers Person bis heute.
Sie als stilbildenden Typus einer Politikerin zu beschreiben, greift dennoch zu kurz. Zwar wurde nahezu jede führende Politikerin – auch die aus dem gegensätzlichen Lager – auf ihre Ähnlichkeit mit Thatcher abgeklopft. Das sagt jedoch wenig über die Existenz eines neuen Typus aus: Weder die spezifische Mischung aus liberalen und konservativen Prinzipien noch die inszenierte Ambivalenz ihres Auftretens als Frau in der Politik können solchen Vergleichen standhalten. Es zeigt eher, wie groß die Anziehungskraft ihrer Person und Politik bis heute ist – und als wie ungewöhnlich Politikerinnen in Führung und weibliches Machtstreben in der Politik bis heute empfunden werden.
Juliane Clegg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität Stuttgart.
Literatur:
- Berthezène, Clarisse/Julie Gottlieb (Hrsg.): Rethinking Right-wing Women. Gender and the Conservative Party, 1880s to the Present (New Perspectives on the Right). Manchester 2018.
- Campbell, Beatrix: Margaret Thatcher. To Be or Not to Be a Woman, in: British Politics 10 (2015), S. 41–51.
- Campbell, John: The Iron Lady: Margaret Thatcher, from Grocer's Daughter to Prime Minister. New York 2011.
- Geppert, Dominik: Thatchers konservative Revolution. Der Richtungswandel der britischen Tories (1975–1979) (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 52). München 2002.
- Griffin, Ben: Thatcher and the Glass Ceiling (No10 Guest Historian Series), 7.5.2013, https://history.blog.gov.uk/2013/05/07/thatcher-and-the-glass-ceiling/ (Abruf: 15.12.2024).
- Moore, Charles: Margaret Thatcher. The Authorized Biography, 3 Bde.. London u.a. 2013–2019.
- Thatcher, Margaret: Downing Street No. 10. Die Erinnerungen. London 1993.
- Thatcher, Margaret: The Path to Power. London 1995.
- Online verfügbare Quellen zu Margaret Thatcher: The Margaret Thatcher Foundation - www.margaretthatcher.org