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Volker Lannert

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„Bonner Rede zur Demokratie“ und das Ringen um Freiheit

Vor 70 Jahren gingen Deutsche in der DDR für mehr Freiheit auf die Straße und mussten einen hohen Preis zahlen. Erst 37 Jahre später hatten sie ihr Ziel, in Frieden und Freiheit zu leben, erreicht. Im Iran demonstrieren vor allem junge Frauen für ihre Freiheitsrechte und nutzen alle Möglichkeiten der Social Media, um ihren Widerstand gegen das Mullah-Regime bekannt zu machen. In der Ukraine hat das Volk in den Majdan-Protesten 2014 die Marionettenregierung Moskaus vertrieben und muss sich jetzt gegen die fürchterliche Rache des Kreml wehren. Das war die große inhaltliche Klammer der diesjährigen „Bonner Rede zur Demokratie“, die mehr ein diskussionsfreudiges Podium geworden ist.

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Navid Kermani, bekannter Autor, Publizist und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, ist bestens mit der Lage im Iran vertraut. Er berichtete, dass der Protest der mutigen Frauen wegen der drakonischen Strafen des Regimes mit über 500 Hinrichtungen sich jetzt in den Wartestand zurückgezogen hat, aber den längeren Atem habe. Die islamische Revolution von 1979 hatte bisher entrechtete und ungebildete Bevölkerungsschichten nach oben gebracht, die alten Schah-Eliten eliminiert und vertrieben. Die damals neue Elite ist jetzt in die Jahre gekommen, ihre Kinder gehen auf Universitäten und lassen sich von den Stupiditäten der Mullahs nicht mehr abspeisen. Der Umsturz wird kommen, sagt Kermani, und es hänge auch vom Westen ab, ob er jetzt wieder Geschäfte mit dem Regime machen wolle oder den Freiheitskampf unterstütze.

Franziska Davies, Osteuropahistorikerin an der Uni München, legte dem Publikum die Gründe aus, warum die Ukraine so zur Obsession Moskaus geworden ist, dass Russland jetzt Zehntausende von jungen Russen in den Tod schickt und sich zum Paria der demokratischen Welt macht. Der Ukraine wird in der imperialistischen Sicht Russlands, die sich im 18. Jahrhundert gebildet hat und bis heute gültig ist, lediglich die Rolle eines kleinen Bruders eingeräumt, keineswegs eines souveränen Staates. 2014 hat die Ukraine diese Rolle abgelegt, und seitdem wird sie mit Krieg überzogen. Davies konnte zeigen, dass die Ukraine immer schon anders gewesen ist als Russland, es gab mehr Freiheitsdenken, mehr Regionalität.

Armin Laschet übernahm zunächst die Rolle des Nachdenklichen, denn es muss uns zu denken geben, wenn sich um den Westen herum geopolitische Allianzen ergeben, die dem Westen entweder feindselig gesonnen sind oder ihn schlichtweg nicht mehr brauchen. China ist für Deutschland nicht mehr nur das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch das Zentrum neuer Vernetzung, mit Afrika, mit Brasilien, mit Russland, Iran, Südafrika, also mit Ländern, die noch wenige Jahre zuvor als Garanten der multipolaren Weltordnung galten.

Navid Kermani stimmte in die Kritik am Westen ein. Er habe auch in Russland mit der Förderung des Kapitalismus Schaden angerichtet, erleide einen geopolitischen Niedergang und setze sich mit seinem Narrativ nicht mehr durch. Laschet sekundierte ihm und forderte eine neue Nachdenklichkeit über die zukünftige Rolle der EU, wenn möglicherweise die USA unter Trump eine nicht mehr so bereitwillige Schutzmacht des Westens seien.

An dieser Stelle veränderte sich der Charakter der Podiumsdiskussion. Vorher noch Abfolge von wohl überlegten Statements, kam jetzt ein polemischer Ton hinein, der sich auf einen zentralen Diskussionspunkt dieser Zeit fokussierte. Die von Armin Laschet geforderte Nachdenklichkeit macht sich nämlich in der Sicht von Franziska Davies nicht an der Rolle der EU und der deutschen Regierung gegenüber Russland, spätestens seit 2014, fest. Davies und Laschet verhakten sich in der Frage, ob die deutsche Politik hätte anders handeln sollen, ob North Stream II, der Minsk-Prozess, die Energieabhängigkeit von Russland angesichts des sichtbar aggressiven Verhaltens der russischen Regierung nicht Fehler waren. Die Wissenschaftlerin klagte an, der Politiker warb um Verständnis für die jetzt fragwürdig gewordenen Jahre. Da war es Kermani, der Friedenspreisträger, der den Blick nach vorne richtete: Die jetzt entscheidende Frage könne es einzig und alleine sein, wie die Ukraine in einem freien und gesicherten Zustand aus dem Krieg herauskomme. Natürlich hatte auch er keine Antwort, aber er plädierte dafür, dass jetzt schon bei jeder Aktion des Westens die spätere Beendigung des Krieges im Blick bleibe.

Das Publikum war leidenschaftlich mit dabei, aber es lässt nicht verhehlen, auf welcher Seite es stand: die Zumutung, die Russlandpolitik der letzten zwei Jahrzehnte zu verurteilen, fand nicht seine Sympathie.

Unumstritten und alle beindruckend war als Klammer des Abends der Klaviervortrag der jungen ukrainischen Pianistin Kateryna-Sofiia Shyk, die mit einer Beethoven-Sonate und der Klaviermusik eines neueren ukrainischen Komponisten die Gemüter wieder auf Normaltemperatur brachte.

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Dr. Ulrike Hospes

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