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Carlos Barria, Reuters

International Reports

Unilateralismus und Rückzug

(K)eine neue US-Sicherheitspolitik in der Ära Trump

Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der USA ist nach knapp vier Jahren unter Präsident Donald Trump geprägt von einer zunehmend unilateralen Verfolgung amerikanischer Interessen und einem teilweisen Rückzug aus internationalen militärischen Engagements und sicherheitspolitischen Verpflichtungen. Zwar schlägt Trump damit kein neues Kapitel in der amerikanischen Sicherheitspolitik auf – schon Präsident George W. Bush handelte oft unilateral und bereits unter Trumps Amtsvorgänger Barack Obama begannen die USA ihren Teilrückzug aus Europa und dem Nahen Osten sowie eine Neuausrichtung auf den pazifischen Raum. Auch konterkarierten Teile des sicherheits- und verteidigungspolitischen Establishments in Washington oftmals extreme Vorstöße Trumps und sorgten so für ein Maß an Kontinuität in der amerikanischen Politik.

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Und doch erwiesen sich die konfrontative Rhetorik des Präsidenten und dessen teils erratischer Politikstil als erhebliche Belastungsprobe für das transatlantische Verhältnis und als Hürde für die sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA. Die Weigerung der Trump-Regierung, die traditionelle internationale Führungsrolle der USA anzunehmen, wiegt in der Sicherheitspolitik besonders schwer, da Europa mangels eigenen Willens und eigener Fähigkeiten in diesem Bereich weiterhin hochgradig vom amerikanischen Verbündeten abhängig ist.

 

Debatte um Lastenverteilung in der NATO

In seinem sicherheitspolitischen Kern war das Verhältnis zwischen den USA und Europa über Jahrzehnte davon geprägt, dass die europäischen NATO-Mitgliedstaaten die Gewissheit hatten, im Falle eines Angriffs von den Vereinigten Staaten geschützt zu werden. Wiederholt hatte Trump mit seinen Äußerungen, beispielsweise das Bündnis sei „obsolet“, massive Verunsicherung darüber ausgelöst, ob diese Schutzzusage in seiner Amtszeit auch weiterhin gültig ist. Obwohl er seine kritische Rhetorik teilweise abgemildert hat, hegt Trump offenbar weiterhin grundlegende Skepsis am Nutzen der NATO für sein Land und muss von seinem Umfeld fortwährend davon überzeugt werden, an der Allianz festzuhalten.

Nicht zuletzt auf Betreiben des Verteidigungs- und Außenministeriums sowie des Kongresses haben die USA bisher so auch ihre finanzielle und militärische Unterstützung europäischer NATO-Partner fortgesetzt oder sogar erweitert. In Teilen setzte sich Trump aber auch gegen militärpolitische Kreise in den USA durch, beispielsweise mit der Entscheidung, einen Teil der US-Streitkräfte aus Deutschland abziehen zu wollen. Diese Entscheidung sowie Trumps Position generell wird stark von seinem primären Augenmerk auf der ungleichen Lastenverteilung in der NATO bestimmt. Diese Kritik ist in der Sache ebenfalls nicht neu, Trumps Forderung an Europa, mehr Lasten zu tragen, wird aber mit beispielloser Vehemenz vorgebracht und nun erstmalig mit den Sicherheitszusagen der USA an andere NATO-Staaten verknüpft. Dass die Folgen der COVID-19-Pandemie die Vereinigten Staaten weltweit am stärksten getroffen haben, könnte Trump noch zusätzliche Gründe dafür liefern, die Europäer stärker in die Pflicht zu nehmen.

 

Rückzug aus internationalen Verpflichtungen

Parallel zu den Verwerfungen in der NATO kündigten die USA unter Trump ebenfalls eine Reihe internationaler Verträge auf, die für die Sicherheit Europas von hoher Relevanz waren, oder zogen sich aus militärischen Einsätzen zurück, in denen US-Streitkräfte mit europäischen Truppen gemeinsam kämpften. Dies ist auf einen Paradigmenwechsel in Washington zurückzuführen, in dessen Folge gegenwärtigen internationalen Verträgen – wie dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), dem INF-Vertrag oder dem Vertrag über den Offenen Himmel (Open Skies) – kein Mehrwert beigemessen oder gar ein Nachteil für die nationale Sicherheit der USA unterstellt wird. Diese Sichtweise vertritt dabei nicht nur Trump, sondern auch andere Führungspersönlichkeiten seiner Regierung. Der vollständige Abzug der US-Streitkräfte aus Syrien und der Teilabzug aus Afghanistan, teils auch aus innenpolitischem Kalkül vorangetrieben, reduzierte weiterhin die sicherheitspolitische Zusammenarbeit der USA und Europas im Bereich Stabilisierung und Terrorismusbekämpfung.

 

Keine Sicherheit ohne die USA

Nichtsdestotrotz bleiben die Vereinigten Staaten voraussichtlich noch auf Jahre weltweit die einzige Nation, die in der Lage und – unter bestimmten Voraussetzungen – willens ist, Deutschland und seine europäischen Verbündeten gegen jedwede derzeit denkbare Bedrohung effektiv zu verteidigen. Dies schließt das amerikanische nukleare Dispositiv ein, mit dem die USA im Rahmen der erweiterten Abschreckung auch Europa schützen. Deutschland und die europäischen NATO-Partner haben ihrerseits in Ansätzen erkannt, dass die USA – auch nach einer Trump-Regierung – mehr sicherheitspolitische Eigenständigkeit von Europa verlangen werden.

Deshalb muss Deutschland gemäß der Formel „transatlantisch bleiben, europäischer werden“ mit seinen Verbündeten den europäischen Pfeiler der NATO stärken. Dazu sollten zeitnah die hierfür notwendigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen, personelle und materielle Trendwenden in den Streitkräften verstärkt und Investitionen getätigt werden, um den rüstungstechnologischen Rückstand Europas zu verringern und die Verteidigungsfähigkeit zu steigern. Deutschland ist hier besonders gefordert, den finanziellen Zusagen bei den Verteidigungsausgaben, aber auch seinen Bündnisverpflichtungen, beispielsweise im Rahmen der nuklearen Teilhabe, nachzukommen.

 


 

Nils Wörmer ist Leiter der Abteilung Internationale Politik und Sicherheit der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 


 

Philipp Dienstbier ist Referent für Transatlantische Beziehungen der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 


 

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Samuel Krug

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