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Der Botschafter der Ukraine Pavlo Klimkin machte in seinem Eingangsstatement deutlich, dass er eine baldige Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union als Mittel auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft für dringend erforderlich ansieht. Das Assoziierungsabkommen werde ähnlich positive Auswirkungen haben wie die bereits in einem Abkommen mit der EU realisierten Visa-Erleichterungen. Die Parlamentswahlen im Oktober 2012 bewertete er als durchaus problematisch in ihrem Ablauf, allerdings sei ein offener Wahlkampf geführt worden und die an vielen Orten festgestellten Unregelmäßigkeiten trügen keinen systematischen Charakter. Die Ukraine müsse nun die richtigen Lehren aus der Wahl ziehen. Der Botschafter verwies darauf, dass die Abgeordneten im Parlament der Ukraine alle Befürworter einer Europa-Orientierung seines Landes seien und kritisierte die Oberflächlichkeit vieler Debatten über die Zukunft des Verhältnisses zwischen der EU und der Ukraine. Als wichtig bezeichnete er das neue Strafprozessgesetz der Ukraine, das am 20. November in Kraft getreten ist und den Vorgaben des Europarates entspreche. Auf dem Weg der weiteren Annäherung der Ukraine an die EU seien gemeinsame Anstrengungen erforderlich, die Ukrainer müssten ihre „Hausaufgaben“ selbst erledigen. Es wäre jeoch gut, wenn Deutschland die Ukraine auf diesem Weg genauso unterstützen würde, wie es Polen in den 1990er Jahren auf dem Weg in die EU geholfen habe.
Janusz Reiter, Präsident des Zentrums für internationale Beziehungen in Warschau und Botschafter a.D. der Republik Polen in Deutschland und den USA, bezeichnete die Ukraine als „schwieriges Land“, das seine Freunde manchmal zur Verzweifelung bringe. Dies ändere allerdings nichts an der Wichtigkeit des Landes für die Zukunft Europas, und, so betonte Reiter: auch schwierige Partner dürften in angespannter Lage nicht fallengelassen werden. Deutschland sei heute Polens engster und bester Freund, und dies sei Ergebnis eines langen Weges geduldiger Kontakte und des gegenseitigen Interesses der Menschen beider Länder. Reiter hob hervor, dass in den Beziehungen der Ukraine zur EU bereits erhebliche Erfolge zu verzeichnen seien. Anfang der 1990er Jahre sei noch darüber diskutiert worden, ob die Ukraine überhaupt als unabhängiger Nationalstaat existieren solle, was heute niemand mehr in Frage stelle. Auch sei über die innere Spaltung des Landes in Ost- und West debattiert worden und über die Frage, wohin sich die Ukraine zukünftig orientieren werde – nach Russland oder nach Europa. Als aktuelles Beispiel für das europäische „Gesicht“ der Ukraine führte der Botschafter a.D. die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine an, die ein sehr positives Bild von Land und Menschen vermittelt habe. Auf der anderen Seite kritisierte Janusz Reiter den Ablauf der Wahlen in der Ukraine im Oktober. Zudem sei die Zivilgesellschaft in der Ukraine schwach, aber immerhin vorhanden. Über die ukrainische Politik gebe es wenig Gutes zu sagen, so Reiter. Die Politiker in der Ukraine müssten verstehen, dass in Europa die Meritokratie zähle, Normen und Vorgaben müssten erfüllt werden. Reiter regte an, die Abhängigkeit in der Energieversorgung durch eine Förderung der Schiefergasvorkommen in der Ukraine zu verringern. Im Interesse Europas wäre es klug, der Ukraine eine Mitgliedschaft in der EU in Aussicht zu stellen. Die Ukrainer wollen diesen Weg gehen, was nicht unbedingt für alle ukrainischen Politiker gelte. Die Aussicht auf den Beitritt wäre deshalb eine wichtige Motivation für die Menschen.
Dr. Andreas Schockenhoff betonte in Übereinstimmung mit den Vorrednern das Interesse an einer engen Anbindung der Ukraine an die EU. Dafür sei ein langer Atem erforderlich. In der Ukraine müsse sich viel ändern, soll dieses Ziel im Blick behalten werden. Die Voraussetzung zur Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen seien noch nicht gegeben. Die Wahlen im Oktober seien nicht fair gewesen, weitere Reformen im Justizbereich seien erforderlich, zudem gebe es Fälle selektiver Justiz und unmenschlicher Behandlung, wie etwa der Fall Julija Tymoschenkos zeige und der Europäische Gerichtshof festgestellt habe. Schockenhoff forderte, dass die nun für einige Gebiete angesetzten Nachwahlen fair verlaufen müssten, außerdem der selektiven Justiz ein Ende bereitet und die Rechtsstaatlichkeit des Landes vorangetrieben werden müsse. Dann könne man eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens im Herbst 2013 ins Auge fassen. Gleichzeitig sollte die EU die enge Zusammenarbeit mit der Ukraine intensivieren, vor allem auf dem Gebiet der Zivilgesellschaft, etwa bei Austausch- und Stipendienprogrammen. Einen eigen Beauftragten für die Kooperation mit der Ukraine in diesem Bereich zu benennen, wie dies etwa in Bezug auf Polen und Russland der Fall ist, sieht Schockenhoff bis auf weiteres nicht als notwendig an.
Hinsichtlich der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens warnte Janusz Reiter in der anschließenden Diskussion, die von dem Landesbeauftragten der KAS in Brandenburg Stephan Raabe und Kamilla Sösemann vom Büro des Bundestagsabgeordneten Dr. Johann Wadephul moderiert wurde, dass die Lage „unsicher“ und die Orientierung der Ukraine nach Europa – und nicht nach Russland – keineswegs selbstverständlich sei. Botschafter Klimkin plädierte dafür, die von der Ukraine zu erfüllenden Voraussetzungen von der Unterzeichnung des Abkommens zu trennen. Er warb für die Unterzeichnung, da so die Reformen im Land vorangebracht werden könnten.
Wodurch werden Impulse für Reformen gegeben? Durch den Zwang zur Einhaltung klarer Vorgaben der EU oder durch das die Ukrainer bestärkende Signal einer frühzeitigen Unterzeichnung des Abkommens? Eine wichtige Frage, die freilich an diesem Abend letztlich nicht beantwortet werden konnte.
Die Aussicht auf die Mitgliedschaft in der EU jedoch, da waren sich die Diskutanten einig, sei für die Ukrainer wichtig, auch wenn sich ein zeitliches Zielfenster für eine solche Mitgliedschaft gegenwärtig noch nicht benennen ließe. Denn die Ukraine stehe erst am Anfang eines langen Prozesses notwendiger Reformen.