Persönliche politische Kommunikation
Klinkenputzen oder anders ausgedrückt die persönliche politische Kommunikation erfährt derzeit ein großes Comeback in den USA. Während in den späten 90er Jahren erst jeder vierte Wähler durch dieses oftmals unterschätzte, weil als altmodisch verschriene Instrument erreicht wurde, war es 2008 schon fast die Hälfte. Dieser Wert dürfte laut Rasmus Nielsen Klein 2012 noch übertroffen werden. Er geht davon aus, dass durch die Hausbesuche zusätzlich fünf Millionen Wähler mobilisiert werden können. Der Grund dafür ist relativ einfach wie der Assistenzprofessor für Kommunikation an der Roskilde University in Dänemark verriet. Der Direktkontakt sei im Vergleich zu anderen Instrumenten immer noch der effektivste. Laut Untersuchungen benötigt es durchschnittlich 14 Kontakte, um einen Wähler zu mobilisieren.
TV-Spots und Negative Campaigning
Obwohl der TV-Spot schon immer von allergrößter Wichtigkeit für eine Kampagne war, erfährt diese Form des „Air wars“ 2012 noch einmal einen Schub, wenn auch mit einer ganz eigenen Tonalität. Travis N. Ridout, Professor für Regierung und öffentliche Ordnung, registriert so viele Spots wie noch niemals zuvor, auch weil die lokalen TV-Netze eine sehr genaue und damit effiziente Ansprache potenzieller Wähler ermöglichen. Von Januar bis September 2012 sind mit 750.000 Spots bereits knapp 50 Prozent mehr gesendet worden als noch 2008. Viele davon greifen den politischen Gegner und seine Ideen in teilweiser scharfer Form an. Dieses „Negative Campaigning“ dominiert bereits jeden zweiten Spot. Trotzdem stoßen sie offenbar beim Zuschauer auf Interesse. Die Aufmerksamkeit sei ununterbrochen überdurchschnittlich, wie Travis berichtete.
Worte und Emotionen
Wie wichtig neben aller Technik Worte im Wahlkampf sind, weiß wohl jeder, der mit Kampagnen näher zu tun hat. Dabei kommt es nicht darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt. Chris Kofinis, Medienberater von Luntz Global, hat dies nun wissenschaftlich untermauert. Er hat herausgefunden, welche Worte beim Wähler verfangen und welche nicht. Entscheidend ist es, den Wähler zu verstehen. Es müssten Antworten darauf gefunden werden, was der Wähler möchte, was er hofft und was er fühlt. Neben diesen emotionalen Aspekten gelte es bei der Entwicklung eines Wordings zu beachten, dass der Wähler von Problemen, Streit und Sorgen nichts hören will. Aufmerksam wird er hingegen bei Schlagwörtern, die sich um Geld, Lösungen oder Zeit drehen. Zu häufig werde der Fehler gemacht, die eigene Realität auf die des Wählers zu projizieren.
Online-Videos
Online-Kampagnen setzen 2012 vor allem auf Bewegtbilder. Vincent Harris, der in Texas eine eigene Agentur betreibt, empfiehlt, täglich mehrere Videos anzubieten. „Content is King“, so Harris. Wer kein Geld für professionelle Produktionen hat, kann auf „user generated content“ zurückgreifen. Diese Home-Videos seien günstig und authentisch. Etwas Glück bedarf es, mit einem viralen Video die ganz große Aufmerksamkeit zu erzielen. Regeln für diese Königsdisziplin gibt es nicht. Allerdings erhöhen sich laut Harris die Chancen auf Viralität, wenn ein Clip kreativ und außergewöhnlich ist dabei aber auch den Neuigkeitswert nicht außer acht lässt. Eine andere Möglichkeit Aufmerksamkeit herzustellen, sind video overlays. Diese interaktiven Anzeigenbanner können mittels Google Adwords in einen Clip eingebaut werden. Harris Fazit: Mit dem Internet kann man Wahlen nicht gewinnen, verlieren hingegen schon.
Bilanz und Ausblick
“Die Beliebtheit eines Kandidaten übersetzt sich nicht automatisch in Stimmen für ihn“, sagte Amy Selman gleich zu Beginn ihrer Präsentation. Daher müsse trotz hoher Zustimmungswerte viel Arbeit in eine Kampagne gesteckt werden. Bevor Boris Johnson 2008 zum Bürgermeister von London gewählt wurde, hatte der Labour-Bürgermeister Ken Livingston die Stadt seit den 90er Jahren regiert. Daher entschied sich das Team von Johnson dazu, eine Kampagne der „Wahl zwischen zwei Londons“ zu fahren, einem alten, heruntergewirtschaftem und einer modernen, weltoffenen Metropole. Am Ende gewann der Herausforderer mit 53 Prozent der Stimmen.
„Für seine Wiederwahl 2012 fuhren wir dann eine zweiteilige Strategie – was hat er geleistet und was wird er für die Zukunft der Stadt leisten“, so Selman. „I pledged to and I delivered“-Anzeigen wurden ganzseitig in lokalen Zeitung in London auf Vorder- und Rückseiten gedruckt. In Chats, bei Busfahrten und Stadttouren, über Twitter und den chinesischen Kurznachrichtendienst „Weibo“ - mit Blick auf die große chinesische Minderheit in der Stadt - trat er mit den Menschen in Kontakt und zeigte auf seiner Webpräsenz anhand der einzelnen Nachbarschaften auf, was er in seiner vierjährigen Amtszeit für den Einzelnen konkret vor Ort geleistet hat.
In einer zweiten Phase wurde ein 9-Punkte-Plan entwickelt, wie es mit der Stadt weitergehen soll, vom öffentlichen Nahverkehr, über Sicherheit, Jobs und Umweltschutz. „Am Ende hat er wohl gewonnen, weil er traditionell konservative Werte in moderne Politik übersetzt hat“, so Selman. „Er ist urban, grün, relativ liberal, doch vor allem ist er optimistisch.“
Die Außenseiterkampagne
“In US politics, winners make politics, losers go home”, erklärte Jesse Benton. Zirka 16 bis 17 Prozent der amerikanischen Wähler gelten als liberal eingestellt. „Das ist ein großes Potential für eine politische Kraft mit Wirkung außerhalb des etablierten Zweiparteien-Systems“, so der ehemalige Wahlkampfleiter von Ron Paul.
Die Tea-Party-Bewegung, die dem republikanischen ehemaligen Präsidentschaftskandiaten Paul nahesteht, „ist libertär, jugendlich, tolerant, sie verfügt über einen intellektuellen Rahmen und wendet sich gegen militärische Interventionen“. Es sei sicherlich auch zu einem großen Teil Verärgerung über Präsident Barack Obama gewesen, die die Bewegung und Ron Paul während der Primaries so erfolgreich gemacht habe, gestand Benton ein. „So wurde Paul nicht nur Zweiter in neun Bundesstaaten, sondern er hat auch die zweitmeisten Delegiertenstimmen insgesamt erhalten.“
Spannend sei es, wie es in Zukunft mit der Bewegung weitergehe und welche Auswirkung das auf das politische System der USA habe, denn auch Rand Paul, der Sohn von Ron Paul und heutige US-Senator von Kentucky, steht der Tea-Party-Bewegung in vielen politischen Fragen nahe. „In der Sozialpolitik steht er für eine starke Beschränkung der Aufgaben der Bundesregierung und in der Außenpolitik sieht er sich in der Tradition von Ronald Reagan und Robert Taft“, so Benton.