Die Beziehungen zu ASEAN sind aus verschiedenen Gründen wirtschaftlich und politisch relevant für die USA. Die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) ist Heimat für 635 Millionen Menschen in zehn Mitgliedsländern. Die Region Südostasien gehört zu den dynamischsten der Welt, wirtschaftlich wie politisch: In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil am weltweiten Einkommen und Handel signifikant gestiegen. Beobachter gehen davon aus, dass ASEAN bis 2030 den vierten Platz der größten Wirtschaftsmächte nach den USA, China und der EU erreicht haben wird.[1] Das boomende Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum macht die Region attraktiv für ausländische Investitionen. Das Entstehen neuer Mittelschichten schafft lukrative Märkte für Handel und Konsumgüter. Zudem wird der Gemeinschaft eine wichtige Rolle im „Kräftemessen“ der Hegemonen beigemessen.
Die USA und ASEAN blicken dabei auf eine eng verflochtene Geschichte zurück. Die USA unterstützten die Gründung ASEANs 1967 zu einer Zeit, als in naher Nachbarschaft der Vietnamkrieg weiter eskalierte. Bei dieser bemerkenswerten Beziehung stand besonders der Ausbau des Handels im Vordergrund.
Der politische Wandel ist in Asien, wie in vielen anderen Teilen der Welt, zunehmend von Populismus, Nationalismus, inneren Spaltungen und Anti-Globalisierungs-Stimmen begleitet. Aber auch der Amtsantritt Donald Trumps im Januar 2017 hat Bewegung in die politischen Entwicklungen der Region gebracht.
Bereits kurz nach seinem Amtsantritt zog Trump die Zusage zum Trans-Pacific-Partnership Agreement (TPP) zurück und brachte damit die einst relativ stabilen, meist wirtschaftlichen, Beziehungen ins Wanken.
Insbesondere der derzeitige Handelskrieg zwischen China und den USA hat direkte Implikationen für die ASEAN-Länder. Vor dem Hintergrund des wachsenden Protektionismus und der Einschränkung von weltweitem Freihandel durch die USA, präsentiert sich China aktiv als alternativer Handels- und Investitionspartner. Für die südostasiatischen Länder bedeutet dies eine wachsende Einflussnahme durch den großen Nachbarn, der u.a. mit seinem gewaltigen Infrastrukturprojekt, der „Belt and Road Initiative“ (BRI), die Region für Handel und Transport – potentiell aber auch für militärische Stützpunkte – erschließen will. Durch Trumps Politik konnte sich das Land im Indischen Ozean in den letzten Jahren unverkennbar offensiver präsentieren.[2]
Deutlich wird dieser Disput auch durch das kürzliche Scheitern einer gemeinsamen Abschlusserklärung der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) nach dem 33. ASEAN-Gipfel im November 2018 in Singapur, zu dem Präsident Trump als Vertreter Vizepräsident Mike Pence schickte. Pence und der chinesische Präsident Xi Jingping hatten sich harte Vorwürfe hinsichtlich der gegenseitigen Handelspraktiken und Strafzölle gemacht und damit eine Einigung auf ein Abschluss-Kommuniqué der 21 APEC-Mitgliedsländer verhindert.[3]
Handelt es sich bei diesen Entwicklungen um eine Geschichte der wachsenden Distanz zwischen ASEAN und den USA?
Die folgende Analyse des ASEAN-Gipfels sowie Einblicke in die Situationen einzelner ASEAN-Mitgliedsstaaten sollen hierzu eine umfassendere Beleuchtung ermöglichen.
Die regelbasierte, liberale Ordnung steht zur Disposition
Obwohl der vom 11.-15. November stattfindende ASEAN-Gipfel unter weniger schlechten Vorzeichen stand als vorherige, fiel er dennoch in eine schwierige Zeit, in der sich die Region mit zahlreichen komplexen Herausforderungen konfrontiert sieht.[4] Zum Ende des Gipfeltreffens ließen sich vier Resümees ziehen: Es ist Bewegung im Südchinesischen Meer, die Großmächte setzen weiterhin auf ASEAN, die wirtschaftliche Integration der ASEAN schreitet voran und die USA unter Präsident Trump entwickeln sich zu einem weniger verlässlichen Partner, als es sich die Region wünschen würde.
Am Rande des Gipfels wurde jedoch deutlich, dass, obwohl die regelbasierte Ordnung meist als die Grundlage für relative Stabilität und zunehmende wirtschaftliche Prosperität verstanden wird, sie keineswegs unangefochten bleibt.
Sie steht zur Disposition wie seit Jahren nicht – nicht nur wegen der immer bedeutsamer werdenden regionalen Großmacht China, sondern wegen der Supermacht, die diese Ordnung erst propagiert und dann durchgesetzt hat, den USA. Die von Präsident Trump geführten USA stellen sie sowohl rhetorisch als auch in der Praxis in Frage. Multilateralismus und liberale Handelsregime sind für den US-Präsidenten nicht Grundpfeiler einer internationalen Ordnung, sondern Stolpersteine auf dem Weg, die USA zu immer weiterer Stärke zu führen. In den diplomatischen Kalkulationen der Staaten der Region, in der sich die Zukunft der internationalen Ordnung entscheiden wird, in der sich die USA und China am unmittelbarsten gegenüberstehen und in der die Stabilität so vieler Staaten auf der Sicherheitsgarantie der USA beruhen, ist Trump eine unkalkulierbare Größe.
Vor diesen signifikanten Entwicklungen kam im Rahmen des ASEAN-Gipfels in diesem Jahr das mit Abstand wichtigste multilaterale Forum des Indo-Pazifik-Raums, der EAS, zusammen. Dabei hatte das unter Trump praktizierte US-amerikanische Verhalten die Teilnehmer verunsichert und besorgt. Das offen zur Schau gestellte Desinteresse des US-Präsidenten wurde durch seine Entscheidung, diesem herausragend wichtigen Forum fernzubleiben und stattdessen seinen Vize Mike Pence zu schicken, bescheinigt..
Die ASEAN-Staaten sind beunruhigt ob der scheinbaren sukzessiven Ablösung des geopolitischen Raumes des Asiatischen-Pazifiks durch den sogenannten Indo-Pazifik, zunehmend propagiert durch zunächst Japan, die USA, Indien, und Australien (QUAD). Insbesondere die Einbindung Indiens lässt vermuten, dass der Indo-Pazifik eine neo-Containment Strategie vis-a-vis China ist.
So war es das klare Hervorheben und Propagieren der Rolle der ASEAN, durch die genannten Staaten der QUAD das für Erleichterung sorgte. Während Mike Pence während des EAS kontinuierlich der neuen Terminologie „freier und offener Indo-Pazifik“[5] treu blieb, unterstrichen die drei weiteren Regierungschefs die Rolle ASEANs als essentieller Partner in deren Außenpolitik. Beruhigend wirkte dann auch Pence auf die ASEAN ein, als er im Rahmen des US-ASEAN Gipfels am selben Tag die Rolle der ASEAN ebenfalls unterstrich und die „strategische Partnerschaft“ der USA und der ASEAN als einer der Säulen der amerikanischen Strategie im Indo-Pazifik nannte. Wäre dies aus dem Mund des Präsidenten selbst gekommen, wäre die ASEAN eher geneigt, dem Glauben zu schenken.
Nichtsdestotrotz ist etwas Ruhe in die zehn Regierungssitze Südostasiens eingekehrt. Man wird sich nun bemühen, das Indo-Pazifik Konzept in die eigenen strategischen und institutionellen Planungen zu integrieren.
Interne und externe wirtschaftliche Konnektivität
Das Handelsvolumen zwischen den USA und ASEAN beträgt in etwa 330 Milliarden US-Dollar, das mit China knapp 520 Milliarden US-Dollar, mit einem jährlichen Zuwachs um ca. 13%. Der Ausfall der USA aus dem TPP Abkommen verstärkt die Angst, dass der bisherige Garant des freien Handels in Washington an diesem nun selbst nicht mehr teilhaben mag. Nicht zuletzt deshalb konzentrierten sich alle Freihandelsverhandlungen hauptsächlich auf das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) Abkommen, welches nun allerorts als die Zukunft des Handels der Region benannt wird. Dieses Abkommen soll im kommenden Jahr abschließend verhandelt werden und in Kraft treten. Es bringt die ASEAN-Staaten mit ihren regionalen Dialogpartnern Australien, China, Indien, Japan, Südkorea und Neuseeland unter einen Handelsvertrag und stärkt somit vor allem die Bedeutung Chinas und Indiens in der Region relativ zu den USA.
Intern muss ASEAN die wirtschaftliche Integration im Rahmen 2015 gegründeten Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN Economic Community (AEC) voranbringen. Insbesondere das ASEAN Single Window, die Synchronisierung nationaler Zoll- und Handelsregulierungen sowie eine verbesserte Konnektivität südostasiatischer Unternehmen untereinander muss gefördert werden. Dies wird den, auch nach nunmehr drei Jahren AEC, noch ausbaufähigen ASEAN-Binnenhandel stärken. Dieser liegt mit einer Quote von etwa 25% weit hinter den europäischen 70% zurück. Ein Ausbau wäre nicht nur sinnvoll, sondern auch ein leicht erreichbares Ziel.
Regionale Integration
Angesichts der genannten Herausforderungen wird die Notwendigkeit der internen Geschlossenheit der ASEAN deutlich. Nach wie vor ist sie eine rein zwischenstaatliche Organisation. Obwohl es diverse Institutionen und Prozesse der ASEAN gibt, liegen die letztendlichen Entscheidungen nur bei den einzelnen Regierungen. Die ASEAN steht sich somit in gewisser Weise selbst im Weg, denn ohne die Zustimmung aller zehn Mitgliedsstaaten, bleibt sie dem Konsensprinzip folgend eine immobile Organisation.[6] Südostasien leidet seit Jahren an der mangelnden Steuerungskapazität regionaler Institutionen in Fragen transnationaler Sicherheit.
ASEAN besteht aus der Summe aller Einzelstimmen der Region. Der nachfolgende Blick von fünf ASEAN-Ländern auf die ihre Beziehungen zu den USA scheint daher wertvoll.
Der amerikanische Einfluss auf Myanmar und die Rohingya-Krise
Während des ASEAN-Gipfels übten die Mitgliedsstaaten – flankiert vom US-amerikanischen Vizepräsidenten, Mike Pence – zum ersten Mal echten öffentlichen Druck auf Staatsrätin Aung San Suu Kyi aus, sich des Schicksals der mindestens 700.000 geflüchteten Rohingyas anzunehmen. Es wurde klar wie nie in der ASEAN kommuniziert, dass es sich um eine humanitäre Katastrophe handle, die der ASEAN schade und zum wohl größten Stolperstein der Regionalorganisation geworden sei.
Obwohl aus ihrem positiven Austausch während der Amtszeit Obamas zu schließen wäre, dass Aung San Suu Kyi Hillary Clinton den Gewinn der US-Präsidentschaft gewünscht hätte, freuten sich andere myanmarische Bürger, insbesondere religiöse Persönlichkeiten, über die Wahlergebnisse von 2016 in den USA. Dies erklärt sich aus ihren mit Trump geteilten anti-muslimischen und nationalistischen Einstellungen. Der Mönch U Wirathu aus der extremistischen buddhistischen Gruppe „Ma Ba Tha“ äußerte sich zur Wahl von Trump: „Die Welt hat uns als engstirnig bezeichnet. Aber da die Menschen aus dem Land, das der Großvater der Demokratie und der Menschenrechte ist, Donald Trump gewählt haben, der mir bei der Priorisierung des Nationalismus ähnlich ist, wird es weniger Fingerzeigen von der internationalen Gemeinschaft geben.“[7]
Trotzdem haben auch die USA die Rohingya-Krise verurteilt. Im September 2017 verlangte Präsident Trump vom UN-Sicherheitsrat, „entschlossen und schnell“ gegen die Krise vorzugehen, und auch Vizepräsident Mike Pence forderte ein Ende der Gewalt. Zwei Monate später besuchte der damalige US-Außenminister Rex Tillerson Myanmar, der erste hohe, offizielle Besuch eines Trump-Kabinettsmitglieds im Land. Sein Ansatz, die Situation anzugehen, war nicht so konfrontativ wie die bisherige Rhetorik der Trump-Administration, und Aung San Suu Kyi selbst war dankbar für sein „Verständnis der Situation [in Rakhine]“[8]. Trumps Regierung war gespalten, welche Position sie als Reaktion auf Myanmars Umgang mit Rakhine einnehmen sollte. Einerseits sprach sich das Außenministerium dafür aus, Sanktionen gegen verantwortliche Einzelpersonen Myanmars zu verhängen, z.B. durch Einfrieren ihrer Vermögenswerte und Einschränkung von Visa für die USA. Andererseits war das Treasury Department skeptisch gegenüber der Wirksamkeit dieser Sanktionen.
Auch der republikanische Senatsmehrheitsführer Mitch McConnell, ein langjähriger Fürsprecher der Demokratie in Myanmar, forderte die US-Regierung und die Öffentlichkeit auf, nur dem Militär die Schuld zu geben. Er argumentierte, dass die Staatsrätin nicht in der Lage sei, die Kontrolle über das Militär auszuüben. Im August 2018 vereinbarten das Außenministerium und das Finanzministerium schließlich, Sanktionen gegen vier Militärs und Grenzpolizisten sowie gegen die 33. und 99. leichte Infanteriedivision zu verhängen.
Vor Ort wird die Unterstützung der USA für den Demokratisierungsprozess und die Entwicklung Myanmars durch die United States Agency for International Development (USAID), das United States Institute of Peace (USIP) und das Carter Center jedoch fortgesetzt. 2018 hat sich die Zahl der Angehörigen des U.S. Peace Corps, die in Teilen Myanmars freiwillig Englisch unterrichteten, verdreifacht. Darüber hinaus wird Birmanen, die in den USA studieren möchten, eine breite Palette von Stipendien angeboten. Was Rakhine betrifft, so hat sich die Hilfe für die Rohingya aus den USA bis September 2018 verdoppelt. Im Oktober 2017 erklärte das US-Außenministerium zudem, dass Offiziere, die an den Operationen des Konflikts beteiligt seien, von keinem US-Hilfsprogramm profitieren würden. Die Rolle der USA in Myanmar, und im Besonderen der Eskalation in Rahine, scheint also genauso ambivalent wie die Positionen, die US-Repräsentanten einnehmen.
Vietnam – Die Balance zwischen Menschenrechtsfragen und Sicherheitsstrategie
Das Verhältnis Vietnams zu den USA ist historisch gesehen vom Krieg in den 1960er und 1970er Jahren geprägt. Gleichzeitig herrscht in der vietnamesischen Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik seit Jahrzehnten ein zukunftsgewandter Pragmatismus, der um einen Ausgleich vor allem im Spannungsfeld der beiden Großmächte USA und China bemüht ist. Daran ändert weder die eigentliche ideologische und strukturelle Nähe zu Peking noch die Amtsführung Donald Trumps grundlegend etwas.
Vietnam setzt sich unbenommen gravierender Mängel in internen Rechtsstaats- und Menschenrechtsfragen in seiner Außenpolitik für die Wahrung internationaler Rechtsstandards und multilateraler Handels- und Politikbeziehungen ein (auch wenn das eigene Handeln dies nicht immer widerspiegelt, wie die eklatante Souveränitätsverletzung Deutschlands im Berliner Entführungsfall 2017 zeigte). Das Eigeninteresse an dieser Linie wird mit Blick auf die Übermacht Chinas im bilateralen Verhältnis deutlich. Gleichzeitig ist dies eine Politikstrategie, von der die vietnamesische Führung weiß, dass sie von der Trump-Regierung mit ihrem Fokus auf Protektionismus nicht unterstützt wird, beziehungsweise nur dann, wenn es den amerikanischen Interessen dient. Andererseits kommt der abnehmende Fokus auf eine Achtung der Menschenrechte in der US-amerikanischen Außenpolitik der vietnamesischen Führung wohl durchaus gelegen.
Auf bilateraler Ebene kann von einer weiteren Annäherung gesprochen werden. Sowohl in der amerikanischen Sicherheits- als auch Verteidigungsstrategie wird Vietnam als möglicher strategischer Partner identifiziert. Das Land wird weiterhin Beachtung auch bei der Trump-Administration finden. Premierminister Phuc war der erste Regierungschef, der von Trump im Weißen Haus empfangen wurde. Trump wiederum nahm im November 2017 am Treffen der Asia Pacific Economic Cooperation (APEC) in der vietnamesischen Hafenstadt Da Nang teil und reiste anschließend nach Hanoi weiter. Sowohl der US-Außenminister als auch der Verteidigungsminister haben seit dem Regierungswechsel in den USA Vietnam bereits besucht; es gibt regelmäßige Treffen auf höherer Arbeitsebene. Große Beachtung fand auch, dass 2018 erstmals nach dem Krieg ein US-amerikanischer Flugzeugträger in Vietnam vor Anker ging. Weitere Gelegenheiten zur Zusammenarbeit mit den USA könnten sich im Umfeld von Vietnams ASEAN-Vorsitz 2020 und der Mitgliedschaft als nicht-permanentes Mitglied im UN-Sicherheitsrat 2020-2021 ergeben.
In sicherheitsstrategischer Hinsicht ist die maßgeblich von den USA sowie von Australien, Indien und Japan vorangetriebene Indo-Pazifik-Strategie für einen freien und offenen Indo-Pazifik für Vietnam von großem Interesse, zumal sie sich für offene Seewege einsetzt und so den Handel beleben und Chinas Expansion im Südchinesischen Meer zurückdrängen will. Vietnam profitiert dabei von der Stärkung des Prinzips der Navigationsfreiheit und einer zumindest indirekten US-Anerkennung von Ansprüchen verschiedener Anrainerstaaten im Südchinesischen Meer.
Obgleich der Rückzug der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) in wirtschaftlicher Hinsicht für Vietnam eine herbe Enttäuschung war, hat diese sich allerdings relativiert, seit sich die verbliebenen elf Staaten darauf verständigt haben, ein abgewandeltes Handelsabkommen auch ohne die USA abzuschließen. Vietnam blieb bisher von Handels- oder Zollbeschränkungen seitens der USA weitgehend verschont, was auch deshalb erstaunlich scheint, weil Vietnam wie auch China, Mexiko, Deutschland, Kanada und Japan einen deutlichen Handelsüberschuss mit den USA aufweist.
Im Handelskrieg zwischen den USA und China sieht Vietnams Führung gleichzeitig sowohl eine Bedrohung als auch eine Chance. Einerseits gibt es in Asien kaum ein Land, dessen Wirtschaft mehr vom globalen Handel abhängt als Vietnam. Mehr Handelshemmnisse, Zölle und damit auch höhere Preise von Zulieferern könnten den Aufschwung ersticken. Andererseits gibt es die durchaus berechtigte Annahme, dass derzeit noch in China produzierende Unternehmen ihre Produktion wegen der Straftarife und steigender Kosten in andere Länder verlegen könnten. Vietnam kommt dabei als ein durchaus attraktiver Standort in Frage, da es mit einem investitionsfreundlichen Klima, vergleichsweise geringen Löhnen und politischer Stabilität – wenngleich unter Missachtung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Standards – werben kann.
Anders präsentiert sich die Situation in Kambodscha.
Es kriselt zwischen den USA und Kambodscha
Die Beziehungen zwischen Kambodscha und den USA sind derzeit sehr angespannt. Dies hat aber weniger etwas mit der Außenpolitik der USA unter Donald Trump zu tun, als vielmehr mit der schwierigen Geschichte der USA in Südostasien und den aktuellen innenpolitischen Entwicklungen Kambodschas. Historisch problematisch ist u.a. die als „Sideshow“ des Vietnamkriegs bezeichnete Bombardierung Kambodschas im Jahr 1970 durch die USA und die Unterstützung des damalige Lon Nols Regime. Auch deshalb argumentiert die kambodschanische Regierung immer wieder gegen westliche Einflussnahme im Land. So auch im Jahr 2017 als mit der Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (KNRP) die größte Oppositionspartei vom Obersten Gerichtshof aufgelöst wurde. Die Begründung lautete damals, dass die Partei mit Hilfe der USA eine „farbige Revolution“ in Kambodscha plane. Infolgedessen wurde das US-finanzierte National Democratic Institute (NDI) im August 2017 geschlossen und die Mitarbeiter des Landes verwiesen.
Während Intransparenz und Korruption bereits länger ein Problem sind, verschlechterten diese Repressionen gegen die größte Oppositionspartei, ausländische NGOs, Medien und Social Media Nutzer etwa Mitte 2017 die Lage deutlich. Die USA reagierte bereits am Folgetag der KNRP-Auflösung mit der sofortigen Einstellung der Unterstützung für die Nationale Wahlkommission. Es folgten Visaeinschränkungen für verantwortliche Beamte und die Verabschiedung des „Cambodia Democracy Act“ am 10. Mai 2018. Das Gesetz definierte weitere Sanktionen gegen die kambodschanische
Regierung, darunter die Sperrung
von Konten und das Einfrieren von Vermögen sowie das Aufrechterhalten von Visaeinschränkungen. Die EU hingegen reagierte zögerlicher als die USA, stellte dann aber ebenfalls die Unterstützung für die Nationale
Wahlkommission ein. Der diesjährige Wahlsieg der Kambodschanischen Volkspartei (KVP) war somit unvermeidlich.[9] Beobachter sehen das Land nun verstärkt auf dem Weg zu einem Einparteienstaat und nicht auf einem Entspannungskurs mit nachlassenden Repressionen.
Das Vakuum, das durch die belasteten Beziehungen zu den USA entsteht, wird derzeit von China gefüllt, das politisch und wirtschaftlich stark an Einfluss gewinnt.
Diese starke Anbindung und die gleichzeitige Distanzierung von westlichen Partnern werden von den Kambodschanern unterschiedlich gedeutet. Die Mehrheit erhofft sich jedoch, dass sich das Land wirtschaftlich und politisch von einem „least developed country“ weiterentwickelt. Die Probleme hierhingehend werden häufig auch auf kulturelle und Mentalitätsaspekte zurückgeführt.
Als kleine Macht braucht Kambodscha Alternativen, ohne sich auf eine Seite schlagen zu müssen. Es ist entscheidend, mit allen im Kontakt zu bleiben und so Demokratie und Wirtschaft auszubauen. Gleichzeitig ist die Anfälligkeit für jede Art von Einfluss groß. Neutralität zu bewahren bleibt eine sehr schwere Übung.
Thailand als verlässlicher Partner
Die Dynamik der Beziehungen zwischen den USA und Thailand hat nach dem Amtsantritt Donald Trumps im Januar 2017 deutlich zugenommen. Unter dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten, Barack Obama, hatte sich das Klima zwischen Washington und Bangkok abgekühlt. Immer wieder hatten die USA die Rückkehr zur Demokratie gefordert. In den Augen der neuen, von Trump geführten US-Regierung hat sich der Schwerpunkt der Beziehungen auf die Rolle eines militärisch zuverlässigen Partners der USA verlagert. Hintergrund dafür sind die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China, welches eine dominierende Rolle in der gesamten Region beansprucht. Zeichen dafür ist nicht nur die Zunahme der Rüstungsanstrengungen der Volksrepublik, sondern auch die Missachtung von Seegrenzen gleich einer Reihe von südostasiatischen Staaten.
Demonstrativ empfing um die Jahreswende 2017/18 US-Präsident Trump den Chef der thailändlichen Militärjunta General Prayut Chan-o-cha mit einer großen Delegation im Weißen Haus. Seitdem hat es mehrere Treffen zwischen hohen Vertretern des US-Verteidigungsministeriums – einschließlich des Ministers – mit führenden thailändischen Militärs gegeben. Vereinbart wurde dabei eine noch engere sicherheitspolitische Kooperation, die auch eine Verstärkung der US-Rüstungsexporte einschließt. Symbolischer Höhepunkt der über Jahrzehnte bestehenden Partnerschaft ist das jährliche gemeinsame Manöver "Cobra Gold".
Thailand achtet dabei auf eine mögliche Balance zwischen seinen Beziehungen zu den USA einerseits, und andererseits zu China. Ein Beispiel dafür sind Waffenkäufe in China, bei gleichseitiger Ignoranz gegenüber chinesischen Wünschen, doch an den "Cobra-Gold" Übungen teilzunehmen zu können. Ebenso erfuhren amerikanische Vorschläge, in Thailand ein zentrales militärisches Oberkommandeur der USA für Südostasien einzurichten, in Bangkok keine Resonanz.
Zugleich achtet Thailand sehr darauf, dass bei großen industriellen Vorhaben chinesische Investoren nicht dominierend sind. Zum Ausgleich berücksichtigt man immer wieder japanische und auch amerikanische Partner.
Thailand bleibt unverändert der verlässlichste militärische Partner der USA in der Region, gefolgt von Japan, Vietnam, Singapur und den Philippinen.
Die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen den USA und den Philippinen
Trotz Präsident Dutertes Betonung einer „unabhängigen Außenpolitik“[10], bemühen sich die Regierungsmitarbeiter klarzustellen, dass dies keineswegs ein Abbruch der Beziehungen zu den USA bedeutet. Stattdessen wird betont, dass diese unabhängige Außenpolitik in Bezug auf die USA lediglich ein Abbauen der Abhängigkeit von Washington bedeute, die Philippinen sich aber weiterhin als Verbündeter der Vereinigten Staaten verstünden.
Gleichzeitig war es ihnen auch wichtig klarzulegen, dass dies keiner besonderen Annäherung an China, sondern lediglich der Verstärkung wirtschaftlicher Zusammenarbeit und dem Abbau von Spannungen, insbesondere im konfliktgeladenen Südchinesischen Meer, diene. Als Reaktion auf Chinas verstärkte maritime Territorialansprüche kooperieren die Philippinen, ähnliche wie Vietnam, daher enger als vorher militärisch mit den USA. Seit Oktober 2015 gibt es so zum Beispiel Kriegsschiff-Operationen der US-Marine, bei der bewusst von China beanspruchte Territorialgewässer gekreuzt werden. [11] Nichtdestotrotz sind die Beziehungen zu China so gut wie seit Langem nicht. Obwohl das Internationale Schiedsgericht in Den Haag den Philippinen mit einer Klage gegen die maritimen Ansprüche Chinas Recht gegeben hatte, verzichtete die philippinische Regierung bisher auf eine politische Umsetzung des Urteils gegen China.[12]
Handel arbeiten die USA und die Philippinen schon länger an konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen, speziell für die Bereiche Landwirtschaft und Ecommerce. Präsident Trump begrüßte den Vorschlag eines Freihandelsabkommen beider Länder. Verhandlungen hierzu sollen noch gegen Ende des Jahres starten.
Fazit
Die dargestellte Analyse verdeutlicht, dass die US-amerikanische Kursänderung zu den großen Herausforderungen der Region gehört.
Der ASEAN-Gipfel in Singapur Ende 2018 und die Situationen in Myanmar, Vietnam, Kambodscha, Thailand und den Philippinen verdeutlichen einerseits den von den USA angekündigten Rückzug aus dem Multilateralismus hin zu bilateralen Beziehungen. Andererseits zeigt sich angesichts der protektionistischen Bestrebungen der USA auch eine Verschiebung hin zu einer zentraleren Gewichtung sicherheitspolitischer Fragen.
Präsident Trump legt weniger Wert auf Multilateralismus und eine einheitliche Beziehung zur Region über ASEAN. Dennoch bedeuten die chinesischen Initiativen vermehrt eine Bedrohung für das Verständnis der eigenen Führungsrolle. In diesem Zusammenhang ist die Region auch unter der Präsidentschaft Trumps von besonderer Bedeutung für die USA: Über engere militärische und wirtschaftliche Kooperationen nicht mit ASEAN, aber mit den einzelnen Mitgliedsstaaten, soll der Einfluss Chinas kontrolliert und eingedämmt werden.[13]
Während sich die bilateralen Beziehungen in Teilen intensivieren, distanzieren sich die USA zunehmend von der ASEAN als vornehmlichen Partner.
Obgleich wirtschaftliche Beziehungen ein zentraler Teil der historisch gewachsenen Zusammenarbeit waren, stellt Trumps Verschiebung von multilateralen zu bilateralen Beziehungen eine signifikante Umstellung dar. Die liberale, regelbasierte Ordnung, die durch Trumps Schwerpunktsetzung gefährdet scheint, wird als Grundlage für die relative Stabilität und die Basis der Konfliktlösung in der Region gesehen. Die ASEAN ist als stabilisierende Institution der Region gefährdet, wenn sie durch bilaterale Abkommen umgangen wird.
Dabei können einzelne Elemente der bilateralen Beziehungen den USA gegenüber China einen Vorteil verschaffen, wie z.B. im Fall der verstärkten militärischen Kooperation zwischen den Philippinen und den USA. Auch die US-amerikanische „Nichteinmischung“ in interne Konflikte kann die Legitimität der USA – aber auch der lokalen Regierung – positiv beeinflussen. Besonders in Asien werden die Einmischung der USA und ihre Einforderung der Einhaltung von Menschenrechten als Symbol für die Bigotterie des Westens gesehen.
Gleichzeitig hat beides seinen Preis. Die politische Schwächung ASEANs durch die Politiken Trumps macht jeden Mitgliedsstaat verwundbar und das gewaltsame statt diplomatische Lösen von zwischenstaatlichen Konflikten wahrscheinlicher.
Eine schwache ASEAN nutzt auch den Interessen Chinas, den Einfluss in der Region auszubauen. Jeder ASEAN-Staat für sich allein ist zu schwach, um sich gegen den großen Nachbarn zur Wehr zu setzen. Das schadet nicht nur diesen Staaten, sondern auch den USA. Auch die Nichteinmischung bei Menschenrechtsverletzungen, wie im Fall Myanmars, setzt langfristig Anreize, sich nicht an internationales Recht und Regeln zu halten. Und gerade der Konflikt in Myanmar, der schon jetzt als religiöser Konflikt dargestellt und instrumentalisiert wird, betrifft ein sensibles und emotionales Feld in Asien, das das Potential zur Eskalation auch über die Grenzen Myanmars bietet.
Die ASEAN-Staaten befinden sich in einer schwierigen Zeit. Diverse komplexe wirtschaftliche und politische Herausforderungen und Bewegungen fordern die Region. Dazu zählen besonders die zunehmenden Spannungen nicht nur im Südchinesischen Meer, sondern auch im Indo-Pazifik, insbesondere zurückzuführen auf die verstärkt expansive Politik Chinas. Aber auch die Schwierigkeiten beim Erreichen einer Zentralität ASEANs gelten als Herausforderungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Einfluss der verschobenen Schwerpunkte der US-amerikanischen Außenpolitik seit Donald Trumps Präsidentschaft auf die Innen- und Außenpolitik der ASEAN-Staaten ambivalent gestaltet.
Der zunehmende Konflikt zwischen den USA und China, der von US-Präsident Trump weiter vorangetrieben wird, wird sich jedoch sicherlich nachhaltig auf die Region auswirken.
[1] Vgl. Deutsche Welle 2018: China beschwört auf ASEAN-Gipfel den Freihandel, 13.11.2018, in: https://p.dw.com/p/388Nw
[06.10.2014].
[2] Vgl. Rimmele, Peter/ Huchel, Philipp, 2018: Weitere Bühne im Wettstreit der Großmächte, in: Konrad-Adenauer-Stiftung Auslandsinformationen 2/2018, S. 37-49, hier: S. 42.
[3] Vgl. Tagesschau 2018: APEC-Gipfel endet im Streit, 18.11.18, in: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/apec-gipfel-pence-xi-103.html [20.11.2018].
[4] Vgl. Kliem, Dr. Frederick 2018: Der 33. ASEAN-Gipfel - ein Resümee, in: Länderbericht Regionalprogramm Politischer Dialog Singapur, November 2018.
[5] “Frei und offen” bezieht sich laut Expertin Pitakdumrongkit auf zum einen die Freiheit von Zwang durch andere Player und beinhalte Konzepte wie Souveränität, eine regelbasierte Ordnung und Konfliktbeilegung. Zum anderen meine „frei“ vor allem Aspekte des offenen Handels. In ihrer Sicht sind Handel und Wirtschaft Schüssel zur Trump-Administration (vgl. Kaewkamol Pitakdumrongkit, Präsentation auf der KAS- Konferenz „International and Regional Security Developments 2018: Implications for Myanmar, 27.11.2019).
[6] Vgl. Kliem, F., ASEAN Imperfect: The Changing Nature of Southeast Asian Regionalism, in: Konrad-Adenauer-Stiftung Panomara 01-2018, S. 23-24, hier: S. 24.
[7] U Wirathu, Ma Ba Tha’s U Wirathu: Trump ‘Similar to Me’, 18.11.2016, in: https://www.irrawaddy.com/news/burma/ma-ba-thas-u-wirathu-trump-similar-to-me.html [20.11.2018].
[8] Aung San Suu Kyi, Joint Press Availability With Burmese State Counsellor Aung San Suu Kyi
Share, 15.11.2017, in:
https://www.state.gov/secretary/20172018tillerson/remarks/2017/11/275603.html [20.11.2018].
[9] Vgl. Schmücking, Dr. Daniel/Hör, Robert 2018: Auf dem Weg zum Einparteienstaat, in: Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbericht, 31.07.2018, S. 1-5, hier: S. 3.
[10] Galang, Mico A. 2017: US, China, and Duterte’s ‘Independent Foreign Policy’, The Diplomat, 06.04.2017, in: https://thediplomat.com/2017/04/us-china-and-dutertes-independent-foreign-policy/ [28.11.2018].
[11] Vgl. Nolte et al. 2016: Donald Trump und das außenpolitische Erbe von Barack Obama, in: GIGA Focus Global Nummer 7, 11.2016, S.1-14, hier: S. 3.
[12] Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 2018: Plötzlich beste Freunde, 22.11.2018.
[13] Vgl. Nolte et al. 2016: Donald Trump und das außenpolitische Erbe von Barack Obama, in: GIGA Focus Global Nummer 7, 11.2016, S.1-14, hier: S. 3.
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