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Country reports

Nigeria auf dem Wege zur Demokratie

by Dr. habil. Klaus Paehler
60 Millionen Wahlberechtigte sind in Nigeria aufgerufen Ende April einen Präsident, Vizepräsidenten, das Repräsentantenhaus, den Senat sowie die Gouverneure und Parlamente der Bundesstaaten zu wählen. Insgesamt stellen sich mehrere tausend Kandidaten dem Votum.

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Vor zweihundert Jahren wurde in England der Sklavenhandel untersagt. Millionen Afrikaner waren - oft von ihren örtlichen Herrschern - an arabische und europäische Slavenhändler verkauft worden. Ihre Heimat lag meist an der westafrikanischen „Sklavenküste“.

Dort versucht in diesen Tagen Nigeria auf seinem steinigen Weg der Demokratisierung einen Schritt voran zu kommen. Der Präsident, der Vizepräsident, das Repräsentantenhaus und der Senat sowie die Gouverneure und Parlamente der Bundesstaaten werden gewählt. Insgesamt stehen mehrere tausend Kandidaten für ca. 1.500 Mandate zur Wahl.

Wichtiges Land Afrikas

Mit seinen 140 Millionen Einwohnern in 36 Bundesstaaten, drei grossen (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) und zahllosen kleineren Ethnien, riesigen Öl und Gasvorräten sowie einem noch grösseren Vorrat ungelöster Probleme ist es neben Südafrika das wichtigste Land Afrikas. Die USA und China sind hier sehr aktiv, um ihre Energieversorgung zu sichern. In Deutschland weiß man über das Land, das kein attraktives Reiseziel ist, jedoch nur wenig. Aber sein Schicksal kann uns nicht gleichgültig sein. Im Zeitalter der Globalisierung ist Afrika nicht mehr wirklich „weit weg“: Terroranschläge in Nordafrika, zigtausend Westafrikaner, die versuchen, in Flüchtlingsbooten Europa zu erreichen, deutsche Truppen, die im Kongo für Sicherheit bei den Wahlen sorgen, der Massenmord in Darfur. Zwar kann man die Augen verschließen, aber die Probleme verschwinden dadurch nicht wirklich und lösen sich auch nicht von selbst.

Besser und auch billiger für uns ist es, wenn die Länder Afrikas ihre Probleme lösen und die Afrikaner in Afrika bleiben, weil sie dort eine Zukunftsperspektive haben. Aus Humanität und aus Eigenintersse - auch wir müssen unsere Energieversorgung diversifizieren - kann uns Afrikas Schicksal also nicht gleichgültig sein. Afrika-Romantik a la Tanja Blixen und Gefühlsduselei helfen dabei allerdings genauso wenig wie planlose Geldspenden. Nüchterne Analyse und Diagnose versprechen mehr Erfolg. Und Disziplin bei der Therapie.

Z. B. Nigeria bei der Stabilisierung seiner jungen Demokratie zu unterstützen. Nach einer überwiegend unerfreulichen, von Militärherrschaft (u. a. Sani Abacha, Ibrahim Babangida) geprägten Geschichte wurde 1999 und 2003 Olusegun Obasanjo zum Präsidenten gewählt. Er kann nicht wieder kandidieren. Sind die Wahlen von 2007 erfolgreich, kommt es daher am 29. Mai zur ersten friedlichen Machtübergabe von einer gewählten Zivilregierung zu einer anderen in diesem Lande überhaupt.

Gute Chancen für eine friedliche Machtübergabe

Trotz aller Befürchtungen stehen die Chancen dafür durchaus gut. Zwar war die Registrierung der 60 Mio. Wahlberechtigten an 120.000 Zähl- und Wahlstationen mit zahlreichen Pannen verbunden. Das Wählerverzeichnis war zu spät fertig, die Zulassung der Kandidaten umstritten und in vielen Fällen mit Gerichtsverfahren verbunden. Ein Teil dieser Probleme ist in einem Lande, in dessen Hauptstadt alle paar Minuten der Strom ausfällt, auch ohne Verschwörungstheorien mit ganz alltäglicher Unfähigkeit zu erklären.

Die Nigerianer sind zur Hälfte Christen zur anderen Moslems. Nur „gemischte“ Kandidatenteams haben daher eine echte Chance. Der gegenwärtige Präsident ist Christ aus dem Süden, sein Vizepräsident Moslem aus dem Norden. In der nächsten Regierung wird es umgekehrt sein: Die drei Spitzenkandidaten sind Moslems aus dem Norden, ihre „Vize“ Christen. Der gewählte Präsident muss die Mehrheit der Stimmen erringen und zusätzlich in min¬destens 2/3 aller Staaten jeweils mindestens ¼ aller Stimmen. Dies soll eine religiöse, regionale oder ethnische Dominanz verhindern.

Kandidaten und Parteien

Für die PDP, die stärkste Partei, die die derzeitige Regierung sowie 20 der 36 Gouverneure stellt, kandidiert der Gouverneur des kleinen, islamischen und nördlichen Bundesstaates Katsina, der 53-jährige Chemiker und frühere Lehrer an einem Polytechnikum Alhaji Umar Musa Yar’ Adua. Er ist in der Vergangenheit nicht besonders hervorgetreten, auch vielen Nigerianern ist er weitgehend unbekannt. Er hat erklärt, die Wirtschaftsreformen Obasanjos und die Korruptionsbekämpfung weiterführen zu wollen. Sein Gesundheitszustand gibt aber immer wieder Anlaß zu Gerüchten. Während eines Klinikaufenthaltes in Wiesbaden Anfang 2007 wurde er in Nigeria bereits totgesagt. Sein Vizepräsident soll Goodluck Jonathan, Gouverneur des Staates Bayelsa im Nigerdelta, werden. Er gehört zum Stamme der Ijaw, von denen viele der Gewalttaten im Delta verübt werden. Sie sollen so besser repräsentiert sein.

Die wichtigsten Oppositionsparteien ANPP (All Nigerian Peoples Party) und AC (Action Congress) sowie andere Parteien wollen in letzter Minute noch ein Wahlbündnis eingehen. Nur wenn sie sich auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten verständigen, haben sie reale Chancen. ANPP hat den ehemaligen Militärherrscher General Muhammadu Buhari nominiert. Er kommt wie Yar’ Adua aus Katsina und kandidierte 2003 erfolglos gegen Obasanjo. Der inzwischen mit dem Präsidenten völlig zerstrittene gegenwärtige Vizepräsident Atiku Abubakar ist Präsidentschaftskandidat von AC. Einige Tage vor der Wahl hat ihn das höchste Gericht in einem als bahnbrechend verstandenen Urteil nach langem, teils skandalösem politischem Hin und Her als Kandidat zugelassen. Die Wahlbehörde INEC hatte dies verhindern wollen. Durch das Urteil könnten auch einige der Gouverneurswahlen ungültig werden und im schlimmsten Fall sogar die Präsidentenwahl verschoben werden.

Korruption ist ein großes Problem

Die Anti-Korruptionsbehörde EFCC hatte in einem "Screening" korrupte Bewerber identifiziert und zahlreiche Gouverneurskandidaten ausgeschaltet. Dies ist im sehr korrupten Nigeria gewiß zu begrüßen, ist aber nicht wirklich unparteiisch durchgeführt worden. Auch wäre Nigeria nicht Nigeria, wenn nicht sofort gefälschte Listen aufgetaucht wären, in denen die Antikorruptionsbehörde vorgeblich in Wirklichkeit unbescholtene Kandidaten inkriminierte.

Die Präsidentenwahl am 21. April dürfte auf eine Entscheidung zwischen Yar Adua und Buhari hinauslaufen. Eine islamische Radikalisierung des Landes ist wohl von keinem der beiden zu befürchten. Allerdings gilt bereits in 12 Staaten die Schariah, sie wird aber nur begrenzt angewendet. Beide Kandidaten wären für das Land wahrscheinlich akzeptable Präsidenten und keine Gefahr für das Ausland. Atiku Abubakar hingegen gilt bei vielen Nigerianern als sehr korrupt.

Am 14. April wurden bereits die Parlamente der Bundesstaaten und deren Gouverneure gewählt. Sie galten als Barometer. Schlimme Befürchtungen haben sich bisher nicht bestätigt. Trotz vereinzelter Gewalttaten und Manipulationsversuche verliefen die Wahlen zwar nicht ganz glatt aber doch überwiegend geordnet. Es kam bisher zu weniger als 100 Todesopfern. 2003 gab es etwa 1000 Tote. Daher kann man für die Präsidentenwahl gedämpft optimistisch sein. Allerdings kann sich ein kleiner Konflikt in Nigeria schnell zu einem Flächenbrand entwickeln.

An den Ergebnissen überrascht, in welchem Ausmaß PDP gewonnen hat. Sie wird auch künftig die weitaus größte Anzahl von Gouverneuren stellen, die noch dazu mit überragenden Mehrheiten gewonnen haben. Zwar ist die Opposition zersplittert und verfügt nicht über eine so gute landesweite Organisationsstruktur wie PDP, aber die Zahlen überraschen doch: Im Staate Akwa-Ibom entfielen auf den Sieger von PDP mehr als eine Million Stimmen, der Zweitplazierte (AC) erhielt nur knapp 20.000 und der Drittplazierte (ANPP) knapp 12.000 Stimmen. In Einzelfällen wurde von Wahlfälschungsversuchen berichtet: So wurde ein Busfahrer nachts mit knapp vierzig Wahlurnen erwischt.

Für die Wahlen stehen etwa 500.000 Wahlhelfer zur Verfügung. Nationale und internationale Wahlbeobachter überwachen die korrekte Durchführung der Wahlen, die auch ohne Manipulationsversuche in einem Land eine erhebliche logistische Herausforderung darstellen, das sich seit seiner Unabhängigkeit trotz Ölreichtums auf vielen Gebieten zurückentwickelt hat. Man wird die Berichte der ausländischen Wahlbeobachter abwarten müssen, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Nigeria wird bei diesen Wahlen u. a. von der EU mit über 40 Mio. EURO unterstützt.

KAS hilft vor Ort

Mit einem vergleichsweise winzigen Budget aber viel Engagement und Kreativität unterstützt die Konrad-Adenauer-Stiftung Nigeria. Mit Radioprogrammen zur politischen Bildung erreicht sie viele Millionen nigerianische Hörer. Zusammen mit der Deutschen Welle wurden Journalisten für eine faire und sachliche Wahlberichterstattung ausgebildet, Seminare für Abgeordnete sollen die Qualität der künftigen Parlamente verbessern, ein Seminar für hohe Offiziere dem Militär helfen, seine Rolle in einer demokratischen Gesellschaft zu finden und in einem hochrangigen „Moral Leaders Forum“ der KAS haben Präsidentschaftskandidaten, traditionelle Herrscher und Führer der Glaubensgemeinschaften zu friedlichen Wahlen aufgerufen: Prediger aller Konfessionen fordern regelmäßig ihre Gläubigen zur Friedfertigkeit auf.

Zu hoffen bleibt, daß dieser Appell erfolgreich ist, die Wahlen friedlich verlaufen, die Sieger sich mäßigen und die Verlierer ihre Niederlage als Willen der Mehrheit akzeptieren. Dann hat der schwarze Riese Nigeria einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan.

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