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In seiner ersten Amtszeit standen die transatlantischen Beziehungen nicht im Vordergrund. In der Außenpolitik hat Obama eine stärkere Konzentration und eine Rückwendung auf das eigene Land eingeleitet. Dabei konnten sich die USA Krisenregionen wie dem Nahen Osten nicht ganz verschließen. Die Transformationsprozesse in der Region, Ambitionen des Iran, nun auch der Bürgerkrieg in Syrien sind weitere wichtige Themen der Außenpolitik. Zudem gab es eine neue Hinwendung nach Asien, vor allem nach China. Hier werden die Chancen, aber auch die zukünftigen gesehen, wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch.
Mehr noch geht es Obama aber darum „nationbuilding at home“ zu betreiben: die eigene Nation zu starken und aufzubauen. Daran wird sich auch sein Platz in der Geschichte entscheiden. Hier bleibt genug zu tun: vor allem Arbeitsplatze zu schaffen und die Wirtschaft anzukurbeln. Das Bildungssystem muss umgebaut werden. damit Bildung wieder bezahlbar wird und am Ende auch die Chance auf einen Arbeitsplatz bietet. Auch die Einwanderungspolitik muss neu geregelt werden. Circa zwölf Millionen illegale Immigranten gilt es zu integrieren. Die Infrastruktur bedarf dringend der Modernisierung. Das sind nur einige Aufgaben.
Beim Besuch Obamas in Berlin spielen alle genannten Themen eine Rolle: vor allem China, aber auch der Nahe Osten, insbesondere Syrien und Iran. Von Deutschland und Europa erwarten die USA eine aktivere Rolle, nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage. Auch beim Rückzug aus Afghanistan sind die USA auf die Hilfe der Partner angewiesen, wenn es zum Beispiel darum geht, auch nach dem Rückzug ein gewisses Maß an Stabilität sicherzustellen. Im Vordergrund der Gespräche zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Obama dürften jedoch die Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA stehen. Die Idee dazu ist nicht neu und wurde insbesondere von der Bundeskanzlerin mehrfach auf die Agenda gesetzt. Die Chancen für eine Umsetzung stehen nun aber besonders gut. Der politische Wille ist auf beiden Seiten stark.
In den USA sind die klassischen Instrumente der Wirtschaftsstimulierung wie expansive Geldpolitik ausgereizt - oder wie im Fall von Investitionsprogrammen angesichts hoher Staatsschulden nicht möglich. Bleibt noch die Wirtschaftsförderung durch Freihandel, welchem gegenwärtig sowohl Demokraten als auch Republikaner zustimmen. Das ist in der stark polarisierenden Politik alles andere als selbstverständlich. Die Vorteile des Freihandels liegen auf der Hand. Experten gehen von bis zu 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum auf beiden Seiten des Atlantiks aus. Dies könnte auch helfen, die Krise in Europa zu überwinden. Natürlich müssen noch Hürden genommen werden. Die aktuell diskutierten Datenschutzfragen, auch Verbraucherschutz und die Sicherung von kulturellen Gütern sind nur Beispiele.
Das Projekt hätte auch einen strategischen Aspekt: Die USA und Europa würden zukünftig noch stärker zusammen arbeiten und die Standards setzen, denen sich andere Handelspartner dann anschließen werden.
Dieses Abkommen könnte zu einer entscheidenden Saule der transatlantischen Beziehungen in der Zukunft werden - ähnlich, wie es die Nato in Zeiten des Kalten Krieges war. In einer globalisierten Welt, in der andere stärker werden, die unsere demokratischen Werte nicht teilen, wird die transatlantische Zusammenarbeit auf einer gemeinsamen Wertebasis noch wichtiger. Präsident Obama misst Deutschland und insbesondere der Bundeskanzlerin eine entscheidende Rolle zu. Dies war nicht zuletzt der Hintergrund für die hohe Auszeichnung, welche Angela Merkel vor zwei Jahren mit der „Medal of Freedom“ in Washington erhalten hatte.
Deutschland wird als starker Partner gesehen. Das ist ein Kompliment, aber auch Erwartungshaltung. Auf Merkel setzt Obama, wenn es um die Überwindung der Krise in Europa geht, aber auch bei der Unterstützung für ein Freihandelsabkommen.
Der Artikel erschien im Original in der Sächsischen Zeitung, 18. Juni 2013.
Er setzt auch auf die Bundeskanzlerin wenn es um gemeinsames Engagement in den Krisenregionen der Welt geht. Die Gespräche in Berlin dürften deshalb für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen von ähnlich hoher Bedeutung sein, wie die Rede John F. Kennedys 1963.