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Die Landesverbände der CDU
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Funktion
Die Landesverbände der CDU sind Reflex des föderativen politischen Systems; dabei sind sie einerseits territoriale Untereinheiten der Gesamtorganisation (vertikale Dimension) und andererseits relativ eigenständige Parteien im Land (horizontale Dimension). Abgesehen vom Sonderfall CSU, die in Bayern als eigenständige Landespartei besteht, und den drei formal eigenständigen Gliederungen in Niedersachsen (Braunschweig, Hannover, Oldenburg) entsprechen die Parteiorganisationen den jeweiligen Landesgrenzen. Deshalb beträgt die aktuelle Anzahl 17. Die Landesverbände greifen historische und kulturelle Traditionslinien auf und tragen somit auch zur Stabilisierung regionaler politischer Identitäten bei. Zugleich realisieren sie die programmatischen Aussagen der Union zugunsten eines ausgeprägten Föderalismus als Ausdruck von demokratischer Machtkontrolle und Subsidiarität.
Darüber hinaus existiert eine Reihe von rechtlichen und institutionellen Elementen, welche die wichtige Rolle von Landesverbänden unterstreichen und ihnen eine relativ autonome Position verleihen. Neben der Anforderung im Parteiengesetz, wonach eine territoriale Untergliederung vorgesehen ist, ist hier vor allem die Tatsache, dass bei Bundestagswahlen Landeslisten aufgestellt werden, zu nennen. Entsprechend erfolgt die Bildung von Landesgruppen im Deutschen Bundestag. Darüber hinaus bieten die Länder als politische Systeme sui generis einen Handlungsraum, in dessen Rahmen die Landesverbände originäre Parteifunktionen (Personalrekrutierung, Interessenartikulation und -aggregation, politische Gestaltung und Regierungsbildung, Legitimation) wahrnehmen. Gleichwohl ist diese föderale Dimension des Parteiensystems in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit weitgehend vernachlässigt worden bzw. steht meist im Schatten der Bundespolitik.
Entstehung, Entwicklung, Einfluss
Die CDU ist aufgrund besonderer historischer, organisatorischer und politischer Faktoren diejenige Partei in der Bundesrepublik, bei welcher der innerparteiliche Föderalismus am stärksten ausgeprägt ist. Bei ihrer Entstehung galt sie als ein „Flickenteppich“ unterschiedlicher Interessen und Gruppierungen, wobei diese immer zugleich einen starken regionalen Bezug hatten. So waren die hessische und die Berliner CDU in ihrer Frühphase relativ links im Gesamtspektrum der Union angesiedelt, oder die norddeutschen Landesverbände waren stärker protestantisch-konservativ geprägt als die eher bürgerlich-katholischen süddeutschen Gliederungen. Die CDU hat sich ferner erst relativ spät zu einer modernen Volkspartei entwickelt und selbst dann noch erhebliche Konkordanz- und Aushandlungselemente beibehalten, wie sie für föderative Systeme charakteristisch sind. Heterogenität prägt demzufolge die Union sowohl organisationsstrukturell als auch politisch. Dabei drückt sich diese Einheit in der Vielfalt nicht nur in Form von ideologischen Flügeln oder in sozialen Subgliederungen bzw. Vereinigungen, sondern besonders in den territorial organisierten Landesverbänden aus.
Hierbei kommt vor allem den sogenannten „Landesregierungsparteien“ eine wesentliche Rolle zu, da sie zugleich über die Ressourcen einer Landesverwaltung verfügen, was ihnen in fachpolitischen Gremien einen starken Einfluss auf die Bundespartei erlaubt. Ferner kommt es zur horizontalen und vertikalen Diffusion erfolgreicher landespolitischer Projekte etwa in den 1970er Jahren im Bereich der Sozialen Dienste oder der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik. Dieses Phänomen ist ebenfalls ein Ausdruck der gestiegenen Politikverflechtung in Partei und Staat und den sich daraus ergebenden politischen Dynamiken.
Das Gewicht der Landesverbände im Rahmen der Gesamtorganisation wird etwa deutlich, wenn die finanziellen Ressourcen der CDU betrachtet werden.
Einnahmen | ||||
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Einnahmen | In Mio. € (2008) | In % von Gesamt (2008) | In Mio. € (2007) | In % von Gesamt (2007) |
Bundespartei | 41,612 | 27,546 | 43,912 | 30,127 |
Landesgeschäftsstellen | 38,023 | 25,170 | 34,710 | 23,814 |
Nachgeordnete Gebietsverbände | 71,431 | 47,285 | 67,134 | 46,059 |
Gesamt | 151,066 | 100 | 145,756 | 100 |
Man sieht: Das Gewicht der Landesverbände im Rahmen der Gesamtorganisation ist nach wie vor hoch. Die Landesverbände verfügen 2008 zusammen mit den nachgeordneten Gebietsverbänden über 72,5% der gesamten Einnahmen. Im Jahr 1998 betrug der Anteil der Landesverbände mit den nachgeordneten Gliederungen ca. 74%.
Es macht zudem Sinn, eine Statistik der Einnahmen durch die Ausgaben zu ergänzen. Der Einfluss der Landesverbände wird dadurch sogar noch stärker deutlich.
Ausgaben | ||||
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Ausgaben | In Mio. € (2008) | In % von Gesamt (2008) | In Mio. € (2007) | In % von Gesamt (2007) |
Bundespartei | 33,026 | 24,611 | 33,398 | 27,489 |
Landesgeschäftsstellen | 36,614 | 27,285 | 31,173 | 25,658 |
Nachgeordnete Gebietsverbände | 64,552 | 48,104 | 56,925 | 46,853 |
Gesamt | 134,192 | 100 | 121,496 | 100 |
D.h. rund drei Viertel (75,4%) der Ausgaben wurden 2008 von den Landesverbänden zusammen mit ihren Gebietsverbänden getätigt, 2007 waren es 72,5%. Es sind also nach wie vor zu großen Teilen die regionalen Verbände der Gesamtorganisation, welche die Politik der CDU gestalten.
Zugleich sind vor allem in der Phase der Opposition (1969–1982) eine ganze Reihe von Führungspositionen der Bundespartei mit Repräsentanten der Landesebene besetzt worden. Der Karriereweg Helmut Kohls vom Ministerpräsidenten zum Parteivorsitzenden und Bundeskanzler ist dafür typisch. In Zeiten der Regierung im Bund sinkt die Bedeutung der Landesebene als Personalreservoir der Partei jedoch ab, ohne freilich in dem innerparteilichen Machtgefüge neben Bundestagsfraktion, Kanzleramt und Parteizentrale zu verkümmern. Neben guten Wahlergebnissen stärken offene Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat den Einfluss der „Landesfürsten“ auf die Bundespartei. Die Relevanz der Landesverbände manifestiert sich ebenfalls in der Zusammensetzung des Parteipräsidiums (und ähnlich des Bundesvorstands), in dem gegenwärtig rund die Hälfte der Mitglieder der Landesebene zugehören oder eine landespolitische Karriere hinter sich haben (z.B. Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Dieter Althaus); darüber hinaus sind die Ministerpräsidenten automatisch kooptierte Mitglieder dieses Führungsgremiums der Bundespartei.
Die Bedeutung der Landesverbände wird jedoch nicht nur in der innerparteilichen Machtverteilung und Willensbildung ersichtlich, sondern auch in ihrer Funktion als Parteien im Lande, was Landtagsfraktionen und gegebenenfalls Landesregierungen mit einschließt. Hier zeigen sich erhebliche Variationen in den formalen Strukturen, dem Mitgliederanteil und den politisch-strategischen Ausrichtungen. So verfügen die ostdeutschen Landesverbände über wesentlich weniger Mitglieder und finanzielle Ressourcen als ihre westlichen Pendants, doch werden auch dort beachtliche Unterschiede erkennbar (etwa im Falle des sehr hohen Organisationsgrades im Saarland). Zudem ist der Grad an Zentralisierung innerhalb der ostdeutschen Landesverbände höher als im Westen. Ein weiterer Faktor, der die relative Eigenständigkeit der Landesparteien demonstriert, ist das teilweise abweichende Koalitionsverhalten (z.B. die Große Koalition in Brandenburg oder eine schwarz-grüne Regierung in Hamburg und eine CDU-FDP-GRÜNE-Regierung im Saarland).
In politisch-strategischer Hinsicht haben sich vor allem in der Oppositionsphase der 1970er Jahre einige Landesverbände besonders deutlich profiliert. Hessen etwa hat unter Alfred Dregger als „Kampfverband“ eine konfliktorische Wettbewerbsstrategie umgesetzt, während sich Ende der 1980er Jahre Baden-Württemberg unter Lothar Späth als innovative Landesregierungspartei gezeigt hat. Gegenwärtig weist die CDU in Hessen ein ähnliches Profil wie früher auf, während Sachsen sich stärker als sachpolitischer „Reformmotor“ versteht. Dies modifiziert zugleich die Differenz zwischen sozialdemokratisch und christlich-demokratisch geführten Regierungen in wichtigen Politikfeldern, da auf diese Weise die zwischenparteilichen Unterschiede durch innerparteiliche ergänzt werden.
In einer Phase der erneuten Opposition wie 1998–2005 auf der Bundesebene bilden starke Landesverbände den Rückhalt der Partei, denn sie verfügen – wenngleich auf anderer Ebene – immer noch über Regierungsmacht. Zudem stellen sie entsprechend ihrem Mitgliederanteil Delegierte auf dem Bundesparteitag, was die Chancen von Repräsentanten kleiner Landesverbände schwächt. Mit den jüngst vollzogenen Personalwechseln auf der Landesebene einerseits und der Verbindung von Kanzleramt und Parteivorsitz ist jedoch der Einfluss von Angela Merkel deutlich gewachsen. Zudem wirkt sich die sog. Mediengesellschaft zentralisierend auf die innerparteilichen Strukturen der CDU aus, was aber nicht als Ende des innerparteilichen Föderalismus verstanden werden sollte.
Mitgliedschaft nach Regionen | |||
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Landesverband | Mitgliederstand (2008) absolut | Relation zur Gesamtmitgliederzahl | Relation zur Wohnbevölkerung des Bundeslandes in % |
Baden-Württemberg | 74.669 | 14,08 | 0,69 |
Berlin | 12.568 | 2,37 | 0,37 |
Brandenburg | 6.797 | 1,28 | 0,27 |
Bremen | 3.246 | 0,61 | 0,49 |
Hamburg | 9.697 | 1,83 | 0,54 |
Hessen | 47.789 | 9,01 | 0,79 |
Mecklenburg-Vorpommern | 6.038 | 1,14 | 0,36 |
Braunschweig | 6.522 | 1,23 | 0,93(*) |
Hannover | 53.866 | 10,16 | |
Oldenburg | 13.138 | 2,48 | |
Nordrhein-Westfalen | 165.273 | 31,16 | 0,92 |
Rheinland-Pfalz | 49.856 | 9,4 | 1,23 |
Saarland | 20.651 | 3,89 | 2,01 |
Sachsen | 13.148 | 2,48 | 0,31 |
Sachsen-Anhalt | 8.410 | 1,59 | 0,35 |
Schleswig-Holstein | 26.674 | 5,03 | 0,93 |
Thüringen | 12.035 | 2,27 | 0,54 |
Gesamt | 530.377 | 100 | 9,8 |
Quelle: Bericht der Bundesgeschäftsstelle. Anlage zum Bericht des Generalsekretärs. CDU-Bundesgeschäftsstelle, Berlin 2008, 7.3 Mitgliedschaft nach Regionen, S. 33.
Literatur:
J. Schmid: Die CDU (1990); D. Oberndörfer/K. Schmitt (Hg.): Parteien und regionale politische Traditionen in der Bundesrepublik (1991); U. Jun: Koalitionsbildung in den dt. Bundesländern (1994); J. Schmid u.a. (Hg.): Organisationsstrukturen und Probleme von Parteien und Verbänden (1994); H. Schneider, Parteien in der Landespolitik, in: O. W. Gabriel u.a. (Hg.), Parteiendemokratie in Deutschland (1997); A. Galonska: Landesparteiensysteme im Föderalismus (1999); G. Lehmbruch: Parteienwettbewerb im Bundesstaat (2000); J. Schmid/A. Neumann: Die Hessen-CDU vom katholischen Sozialismus über den Kampfverband in die Regierungsverantwortung, in: W. Schroeder (Hg.): Wahlen in Hessen (2008).
Josef Schmid