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Editorial
„Die zerquetschte Mitte“ – so titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Ende Juni im Kontext der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen. Sie bildete dazu ein fliederfarbenes Macaron ab, dessen Füllung unter dem Druck der sie umgebenden Teigelemente ächzte. Der Economist schrieb am selben Tag: „France’s Centre Cannot Hold“. Im Hintergrund zeigte die Zeitschrift die französische Nationalflagge, die tricolore. Der mittlere Streifen aber fehlte.
von Gerhard Wahlers
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„Viele Wähler sehen in den politischen Rändern die letzte Chance auf Veränderung“
Ein Gespräch mit den Frankreich-Expertinnen Anja Czymmeck und Nele Wissmann
Die Frankreich-Expertinnen Anja Czymmeck und Nele Wissmann sprechen im Interview mit den Auslandsinformationen über das Erstarken der Populisten, die Lage der traditionellen Parteien und die wenig ausgeprägte Kompromisskultur im Land.
von Sören Soika, Fabian Wagener
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Polarisiert, aber existent
Die politische Mitte in Spanien
Eine einheitliche „politische Mitte“ oder gar eine Partei des Zentrums existiert in Spanien nicht. Die großen Parteien positionieren sich dezidiert Mitte-links oder Mitte-rechts. Dieses moderate Maß an Polarisierung hat der spanischen Demokratie über Jahrzehnte nicht geschadet, sie sogar stabilisiert. In den vergangenen Jahren jedoch hat die Polarisierung ein Ausmaß erreicht, das die demokratischen Institutionen des Landes erodieren lässt. Treiber dieser Entwicklung sind unter anderem heterogene gesellschaftliche Wertvorstellungen, der Separatismus – und nicht zuletzt Ministerpräsident Pedro Sánchez.
von Ludger Gruber, Martin Friedek
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Polarisiere und herrsche!
Dysfunktionalitäten im politischen System Georgiens
Polarisierung gehört zu den größten Defekten der jungen georgischen Demokratie. Als Georgien im März 2022 den EU-Beitritt beantragte, wurde dem Land eine europäische Perspektive gegeben, die gepaart war mit zwölf Empfehlungen. Der wichtigste Punkt: eine politische De-Polarisierung. Regierung und Opposition zeigten sich jedoch nicht bereit, das Problem anzuerkennen, geschweige denn es anzugehen.
von Stephan Malerius
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Aufstieg, Fall und zurück auf Los
Die Entwicklung des Zentrismus in Indien
Die politische Landschaft Indiens hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert. Der Aufstieg des Hindu-Nationalismus und die soziale Polarisierung überschatten langjährige zentristische Traditionen und untergraben wichtige Bestandteile der „größten Demokratie der Welt“. Eröffnen die Ergebnisse der Wahlen 2024 eine Chance, zu einem moderateren Ansatz zurückzukehren?
von Lewe Paul, Ashutosh Nagda
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Ohne Mitte geht es nicht
Das fragmentierte politische Zentrum und die Regierung Milei in Argentinien
Seit Jahren war das Interesse an der argentinischen Politik nicht mehr so groß wie nach der Wahl Javier Mileis zum Präsidenten. Der exzentrische Radikallibertäre sorgte mit seinen kompromisslosen Reformvorhaben und seiner Empörung über die „politische Kaste“ weltweit für Aufsehen. Die Realität hat jedoch gezeigt, dass er mit seinen drastischen Maßnahmen ohne die etablierten Akteure nicht weiterkommt. Für die geschlagenen Parteien der Mitte wiederum stellt sich die Frage, ob und wie sie mit Mileis Regierung zusammenarbeiten wollen.
von Jana Lajsic
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Die Krise als Chance
Zu den Potenzialen gemäßigter Kräfte in Chile
Chile galt lange als Musterland Lateinamerikas. Doch soziale Unruhen, der Rückgang des Wirtschaftswachstums sowie die Zunahme von organisierter Kriminalität und Parteienverdrossenheit haben in den vergangenen Jahren zu einer politischen Polarisierung und Fragmentierung der Gesellschaft beigetragen. Mit der christdemokratischen Partei hat sich zudem ein traditionell moderater Akteur des chilenischen Parteiensystems aus der Mitte nach links verabschiedet. Wer kann den freigewordenen Raum besetzen?
von Olaf Jacob
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Die rosa Galaxie
Wie linksautoritäre Netzwerke die Demokratien Lateinamerikas unterwandern und die politische Mitte beschädigen
„Progressive“ Politiker aus Lateinamerika im Gleichschritt mit Kreml-Nationalisten, chinesischen Kommunisten und Vertretern des iranischen Mullah-Regimes: Diese unwahrscheinliche Allianz erklärt sich durch die gemeinsame Ablehnung des „US-Imperialismus“, des „Neoliberalismus“ – und letztlich des freiheitlich-demokratischen westlichen Gesellschaftsmodells. Die autoritäre Linke Lateinamerikas operiert immer stärker als transnationale Struktur, die externe autoritäre Regime ausdrücklich als Bündnispartner begreift. Innenpolitisch führt das Agieren dieser „rosa Galaxie“ in den Ländern der Region zur Erosion der politischen Mitte und somit der Demokratie.